Facebook: Eltern kämpfen um Konto ihrer toten Tochter

11.7.2018, 09:40 Uhr
Die Eltern eines verstorbenen Mädchens haben den Social-Media-Konzern auf Freigabe ihres Kontos verklagt.

© dpa Die Eltern eines verstorbenen Mädchens haben den Social-Media-Konzern auf Freigabe ihres Kontos verklagt.

Wollte ihre Tochter sterben – oder war es ein Unglück? Der Tod einer 15-Jährigen in einem Berliner U-Bahnhof lässt den Eltern auch Jahre später keine Ruhe. Antworten erhoffen sie sich von privaten Inhalten der gesperrten Facebook-Seite des Mädchens. Die obersten Zivilrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe könnten den Konzern an diesem Donnerstag (12. Juli) zwingen, den Erben das Konto freizugeben. Experten hoffen, dass das Urteil die Rechtslage zum digitalen Nachlass generell klärt. (Az. III ZR 183/17)

Das Mädchen war Ende 2012 vor eine U-Bahn gestürzt, wenig später starb es im Krankenhaus. Die Eltern glauben, dass ihre Tochter über Facebook vielleicht Nachrichten ausgetauscht hat, die Aufschluss über die Tage vor ihrem Tod und mögliche Suizidmotive geben. Nach eigener Aussage haben sie das Passwort. Sie können sich aber nicht mehr anmelden, weil Facebook das Profil im "Gedenkzustand" eingefroren hat. Die Seite wird damit zu einer Art virtuellem Kondolenzbuch für die Bekannten der Toten.

Facebook weigert sich, den Eltern als Erben die Konto-Inhalte freizugeben. Für den US-Konzern hat Vorrang, "dass der persönliche Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt ist", wie ein Sprecher nach der Verhandlung des Falls vor dem BGH am 21. Juni erneut betonte. Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass private Nachrichten privat bleiben und nicht von den Eltern mitgelesen werden.

Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass nirgendwo eindeutig geregelt ist, was mit den vielen digitalen Inhalten passieren soll, die Menschen bei ihrem Tod auf Servern oder Rechnern im Internet ("Cloud") hinterlassen. Dass die Erben Briefe oder Tagebücher des Verstorbenen lesen dürfen, gilt als selbstverständlich.

Aber E-Mails, Chat-Protokolle oder Fotos liegen in den seltensten Fällen zu Hause auf einem Datenträger. Hat der Tote nichts dazu hinterlassen, was mit seinen Konten bei den verschiedenen Anbietern passieren soll, sind die Erben unter Umständen machtlos. Ein höchstrichterliches Urteil aus Karlsruhe könnte für Klarheit sorgen. In der Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann die Position von Facebook kritisch hinterfragt: Mit dem Passwort hätten sich die Eltern schon zu Lebzeiten des Mädchens bei dem Konto anmelden können. Es sei damit fraglich, ob das Vertrauen der anderen Nutzer, dass niemand mitlese, wirklich schutzwürdig sei.

Für die Eltern ist der langwierige Rechtsstreit eine Belastung. "Besonders schmerzlich ist für uns auch das damit verbundene lange Warten auf eine endgültige Gewissheit", ließen sie im Mai 2017 über ihren Anwalt mitteilen. Damals hatte das Berliner Kammergericht der Mutter, die offiziell als Klägerin auftritt, gerade den Zugriff auf das Facebook-Konto verwehrt – wegen des Fernmeldegeheimnisses. Dieser Punkt zumindest dürfte in Karlsruhe keinen Bestand haben – soweit haben sich die Richter schon in die Karten schauen lassen.

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