Gedenken an Auschwitz: Eine Kerze gegen das Vergessen

27.1.2015, 10:09 Uhr
Gedenken an Auschwitz: Eine Kerze gegen das Vergessen

© Foto: Reuters

Noah Klieger hat einen Tiefpunkt der Menschheitsgeschichte erlebt. Und überlebt: Auschwitz-Birkenau, das größte der nationalsozialistischen Vernichtungslager, den Todesmarsch, auf dem mindestens 9000 Häftlinge nur wenige Tage vor der Befreiung von Auschwitz entlang der Landstraße starben. Heute, im Jahr 2015, kehrt Klieger nach Auschwitz zurück, zusammen mit etwa 300 anderen ehemaligen Häftlingen, als Leiter einer Gruppe Überlebender aus Israel.

Die SS-Wachen hatten die kranken und völlig entkräfteten Häftlinge zurückgelassen, als sie gut eine Woche zuvor mit etwa 56 000 Häftlingen aus Auschwitz und den umliegenden Nebenlagern Richtung Westen aufbrachen. Die Gaskammern und Krematorien waren zu diesem Zeitpunkt bereits zerstört — es sollten keine Spuren der deutschen Verbrechen hinterlassen werden. Doch die Befreier fanden nicht nur die Überlebenden, die von der Hölle berichten konnten, sie fanden auch die Leichen der kurz vor dem Aufbruch der SS getöteten Häftlinge, die Asche der Ermordeten in den Ruinen, den Inhalt der Lagerhäuser mit rund 350 000 Männeranzügen, mehr als 800 000 Frauenkleidern und Zehntausenden Schuhen.

Ebenso wie die Listen der Lagerbürokratie mit den Nummern der Häftlinge ließen die Kleider der Toten eine Ahnung vom Ausmaß des Massenmordes aufkommen. Fest steht, dass mindestens 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz vergast, zu Tode geprügelt, erschossen wurden, an Krankheiten und Hunger starben.

Friedhof ohne Gräber

Für die Überlebenden, für die jüdische Gemeinschaft ist Auschwitz der größte jüdische Friedhof der Welt, ein Friedhof ohne Gräber, wo bis heute immer wieder Asche und Knochenreste an die Oberfläche kommen. Für viele derjenigen, die das Grauen überlebt hatten, war die Erfahrung des tausendfachen Todes um sie herum eine Verpflichtung, immer wieder an diejenigen zu erinnern, die den Tag der Befreiung nicht erlebt hatten. Und auch Auschwitz sollte, so forderten die Überlebenden, nicht etwa abgerissen werden, sondern als Mahnmal für künftige Generationen dienen.

Putin kommt nicht

Die Zahl der Überlebenden ist klein geworden in den 70 Jahren seit der Befreiung. Auf der zentralen Gedenkfeier sollen sie heute im Mittelpunkt stehen, sollen ihre Stimmen gehört werden. Aus fast 40 Staaten kommen Staats- oder Regierungschefs nach Polen. Nur der höchste Repräsentant des Landes der Befreier fehlt: Russlands Präsident Wladimir Putin habe keine Einladung erhalten und werde sich durch seinen Botschafter vertreten lassen, so ein Kreml-Sprecher.

Noah Klieger dagegen wird dabei sein. Der Überlebende ist immer wieder zurückgekommen nach Auschwitz, sprach mit Jugendlichen und Politikern über das Erlebte. Vor einem Jahr, am 69. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers, sprach er vor Abgeordneten der israelischen Knesset in Auschwitz: „Wir alle waren wie Schatten, nicht länger lebende Wesen.“

Viele Jugendliche wissen mit dem Begriff Auschwitz nichts mehr anzufangen, heißt es in manchen Umfragen. Das stimmt nicht, entgegnet Robert Sigel. Der frühere Geschichtslehrer ist in der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit tätig im Bereich Gedenkstätten-Pädagogik und "Holocaust Education". Ein Interview.

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