Internationale Razzia: Schlag gegen italienische Mafia

5.12.2018, 17:50 Uhr
Europaweit haben Ermittler Objekte durchsucht und Verdächtige festgenommen. Auch in Bayern waren Beamte im Einsatz (Symbolbild).

© Hannibal Hanschke/dpa Europaweit haben Ermittler Objekte durchsucht und Verdächtige festgenommen. Auch in Bayern waren Beamte im Einsatz (Symbolbild).

Mit einer großangelegten Razzia sind Ermittler in Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien gegen die italienische Mafia-Organisation 'Ndrangheta vorgegangen. Deutsche Schwerpunkte der Aktion waren das Rheinland und das Ruhrgebiet sowie Bayern. Dutzende mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder wurden am Mittwochmorgen festgenommen, zahlreiche Wohnungen und Lokale durchsucht, wie das Bundeskriminalamt in Wiesbaden mitteilte.

90 Verdächtige festgenommen

Nach Angaben der italienischen Polizei wurden bislang 90 Menschen in Europa und in Ländern Südamerikas gefasst. Ihnen wird unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer Mafiaorganisation vorgeworfen. Die Europäische Justizbehörde Eurojust koordinierte die internationale Aktion mit dem Codenamen "Pollino". Sie sei das Ergebnis «einer intensiven gemeinsamen Ermittlungsarbeit, die im Jahr 2016 begann und europaweit koordiniert wurde», heißt es in einer Pressemitteilung von Eurojust.

Laut Spiegel Online waren allein in Deutschland 240 Beamte des BKA und 200 Polizisten der Bundespolizei im Einsatz, darunter Spezialkräfte der Antiterroreinheit GSG 9. Hinzu kommen Hunderte Beamte der Landespolizeibehörden. Nach Angaben von Bild.de wurden bundesweit mehr als 100 Objekte durchsucht. Einer der Haupttäter, ein 45 Jahre alter italienischer Gastwirt einer Osteria aus Pulheim bei Köln, wurde am Morgen in seiner Wohnung verhaftet. Berichte, wonach es auch Durchsuchungen in Thüringen und Berlin gegeben haben soll, dementierte das BKA.

'Ndrangheta spielt auch in Nürnberg wichtige Rolle

Die kalabrische 'Ndrangheta gilt inzwischen als die mächtigste italienische Mafia-Organisation. Sie dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv. So gingen die Mafia-Morde von Duisburg auf ihr Konto. Im August 2007 waren dort vor einer Pizzeria sechs Menschen erschossen worden. Ein Streit zwischen dem Pelle-Vottari-Clan und dem Strangio-Nirta-Clan war der Auslöser für die Bluttat.

Auch Nürnberg und sein Umland spielen auf der Landkarte der ’Ndrangheta seit den 1960er Jahren eine wichtige Rolle, als Rückzugsraum für Auftragsmörder, als Drogenumschlagplatz und als geografisch günstig gelegener Ort, um hier mit Restaurants oder Versicherungsverträgen schmutziges Geld zu waschen. Auch der Auftragskiller und Drogenkurier Giorgio Basile (58), der heute wegen seiner Funktion als Kronzeuge mit falscher Identität irgendwo in Italien lebt, hat hier Kokain abgeliefert. Doch um Nürnberg geht es in diesem ersten Schritt, der Großrazzia nicht, vielleicht noch nicht. Denn die Stadt wird bei den Mafia-Stützpunkten immer in einem Atemzug mit München, Augsburg und Kempten genannt. In Bayern wurden im Osten Münchens eine Pizzeria und eine Wohnung durchsucht.

In Italien richteten sich die Augen am Mittwoch vor allem auf die Region um Reggio Calabria. Der Operation habe sich gegen verschiedene Mitglieder bekannter Clans gerichtet, die im Herzen der Region um Locri bei Reggio Calabria operierten. Aus dieser Gegend stammten auch die Täter der Mafia-Morde von Duisburg. Die jetzige Aktion sei Ergebnis jahrelanger Ermittlungen der Behörden in Italien, Deutschland und den Niederlanden, betonte die Polizei. Seit langem warnen Ermittler in Italien davor, dass die 'Ndrangheta ein außerordentlich wichtiges Standbein in Deutschland hat.

Feste mafiöse Strukturen auch in Deutschland

Im Sommer erklärte die nationale Anti-Mafia-Behörde, dass die kalabrische Mafia in Deutschland ähnliche Strukturen aufgebaut habe wie in ihrer Heimat. Deutschland, darunter der Hamburger Hafen, seien für den Drogenhandel von "besonderem Interesse" für die Clans. Zwar gelingen italienischen Ermittlern immer wieder Schläge gegen die Clans, jedoch streckt die 'Ndrangheta ihre Tentakeln immer weiter aus.

Anders als es in Filmen dargestellt wird, führt die Mafia weniger blutige Straßenkämpfe aus: Stattdessen agiert sie meist im Verborgenen und infiltriert staatliche und wirtschaftliche Einrichtungen.

Entsprechende Gesetze fehlen

Anders als in Italien gibt es in Deutschland keine strengen Anti-Mafia-Gesetze. Dort ist schon die Mitgliedschaft in einer mafiösen Organisation eine Straftat - in Deutschland nicht. Traditionell ist die Mafia in Deutschland unter anderem in Nordrhein-Westfalen stark vertreten, wenngleich sie keine herausragende Rolle unter den organisierten Kriminellen spielt. In 214 Verfahren aus diesem Spektrum, die zwischen 2012 und 2016 in den Polizeibehörden des Landes bearbeitet wurden, gab es nur in zehn Fällen überwiegend italienische Tatverdächtige, wie aus früheren Angaben des NRW-Innenministeriums hervorgeht.

Insgesamt zählt die Polizei in NRW etwa 120 Personen zum Spektrum "Italienische Organisierte Kriminalität" (IOK). Sie werden vor allem den mafiösen Organisationen der 'Ndrangheta, Cosa Nostra sowie in geringerem Umfang der Camorra und der apulischen organisierten Kriminalität zugerechnet. Aufgefallen sind sie vor allem wegen Umsatzsteuerhinterziehung, Drogenhandel und -schmuggel sowie das "Verschieben" von Autos ins Ausland.

Der Artikel wurde um 17.50 Uhr aktualisiert.

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