EU-weite Richtlinie

Neue Regelung ab Mai: Rückrufe könnten zulasten der Verbraucher stark zurückgehen

Andrea Munkert

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16.4.2024, 13:44 Uhr
Ziel der Produkthaftungsrichtlinie ist es, ein EU-weites System zur Entschädigung von Personen zu schaffen, die durch fehlerhafte Produkte Körper- oder Sachschäden erlitten haben.

© IMAGO/Martin Wagner/IMAGO/Martin Wagner Ziel der Produkthaftungsrichtlinie ist es, ein EU-weites System zur Entschädigung von Personen zu schaffen, die durch fehlerhafte Produkte Körper- oder Sachschäden erlitten haben.

Mängel in Produkten machen nahezu täglich die Runde. Immer wieder kommt es vor, dass Bakterien, Verunreinigungen oder gar Fremdkörper sich in Lebensmitteln finden lassen, die bereits in den Supermarkt-Regalen angeboten werden, wie der große Hummus-Rückruf bei Rewe jüngst. Oder der Rückruf verschiedener Käsesorten wegen Listerienbefalls am Montag, 15. April.

Die EU-Produkthaftungsrichtlinie soll es ermöglichen, fehlerhafte Produkte wie diese zurückzurufen. Ab Mai 2024 soll nun eine neue Richtlinie in Kraft treten, wodurch die Anzahl der Rückrufe stark zurückgehen können – zum Nachteil aller Verbraucher.

Diese neue Richtlinie sieht strengere Kriterien zur Haftung vor, dadurch sollen die Hersteller im Falle eines Rückrufes leichter belangt werden können. Das kann ein zweischneidiges Schwert sein: Denn in den meisten Fällen ist es so, dass die Unternehmen fehlerhafte Produkte in Absprache mit der Lebensmitteluntersuchung freiwillig zurückrufen. Wenn aber durch die neue EU-Richtlinie härter durchgegriffen werden soll, könnte sich das in Zukunft ändern. "Die Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie [Anm. der Red.: Hier ist die Neuerung von 2018 gemeint] zielt darauf ab, das Funktionieren des Binnenmarkts, den freien Warenverkehr, einen unverfälschten Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern und ein hohes Maß an Schutz der Gesundheit und des Eigentums der Verbraucher zu gewährleisten", wird im Richtlinien-Vorschlag angeführt.

Bis dato sei es rechtlich unklar gewesen, wie die bereits seit Jahrzehnten geltenden Definitionen und Konzepte der Produkthaftungsrichtlinie auf Produkte der modernen digitalen Wirtschaft und der Kreislaufwirtschaft anzuwenden sind. Auch sei die Beweislast für Geschädigte erdrückend und anstrengend gewesen. Zudem wären durch Vorschriften zu viele Hürden vorhanden gewesen, die einen Erfolg auf Schadenersatz nahezu nicht möglich gemacht haben.

Dem digitalen und globalen Leben angemessen

Seit der Annahme der Produkthaftungsrichtlinie im Jahr 1985 hat sich die Art und Weise, wie Produkte hergestellt, vertrieben und betrieben werden, erheblich verändert, "dies schließt auch die Modernisierung der Produktsicherheits- und Marktüberwachungsvorschriften ein", heißt es im Entwurf zur Haftungsrichtlinie. "Der ökologische und der digitale Wandel sind im Gange und bringen enorme Vorteile für die Gesellschaft und die Wirtschaft Europas mit sich, sei es durch die Verlängerung der Lebensdauer von Materialien und Produkten, z. B. durch Wiederaufbereitung, oder durch die Steigerung von Produktivität und Benutzerfreundlichkeit dank intelligenter Produkte und künstlicher Intelligenz", steht dort zur Notwendigkeit der neuen Regelung.

"Es wird aber kein Unternehmen mehr aus freien Stücken zurückrufen, wenn das die Haftung verschärft", zitiert die Webseite der "Lebensmittelzeitung" den Lebensmittelchemiker Ulrich Nöhle, der darüber auf dem Deutschen Lebensmittelrechtstag sprach. Demnach könnten auch freiwillige Rückrufe fortan dazu führen, dass einzelne Produkte wie kontaminierte Lebensmittel als fehlerhaft bewertet werden können. In diesem Fall muss der Hersteller für den Schaden aufkommen.

Daraufhin könnte es deutlich weniger Rückrufe geben, was wiederum bedeutet, dass weniger Lebensmittelwarnungen ausgesprochen werden. Allerdings bringt die Richtlinie eine weitere Neuerung auf den Weg, durch die der Herstellungsprozess eines Produkts stärker überwacht werden soll. Das ist in Artikel 8 (Offenlegung von Beweismitteln) in der Richtlinie verankert, der besagt, dass angeklagte Unternehmer alle befindlichen Beweismittel wie Dokumente oder Rezepturen offenlegen müssen.

Ursächlich für die Reform ist die Digitalisierung, wie in den ersten Absätzen der neuen Richtlinie deutlich wird. Besonders in Bezug auf technische Geräte sind EU-Richtlinien stark veraltet. Digitale Produkte, zum Beispiel Software, wurden jedoch von dem Gesetz bisher nicht berücksichtigt. Obwohl dieser Produktbereich der Hauptgrund der Erneuerung war, ist nun auch die Lebensmittelbranche davon betroffen. Die neue Richtlinie soll es den Verbrauchern leichter machen, für eventuelle Schäden besser entschädigt zu werden.

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