Raoul Wallenberg: Die Welt ehrt den Retter ungarischer Juden

28.7.2012, 19:57 Uhr
Raoul Wallenberg: Die Welt ehrt den Retter ungarischer Juden

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Zum 100. Geburtstag des Schweden Raoul Wallenberg bekommt Berlin-Wilmersdorf eine neue Wallenberg-Büste, Stockholm ein Wallenberg-Denkmal und der New Yorker Stadtteil Brooklyn eine Raoul Wallenberg Avenue. Am 4. August (Samstag) wird des Retters zehntausender ungarischer Juden bei Feiern in Budapest, St. Petersburg, Melbourne und Tel Aviv genauso gedacht wie vor dem Haus seiner Kindheit in Stockholms vornehmsten Stadtteil Lidingö.

Auch US-Präsident Barack Obama hat sich zum Geburtstag vor dem Schweden verbeugt: «Als die Juden in Budapest mit dem gelben Stern gezeichnet wurden, hat Raoul Wallenberg ihnen Schutz hinter der blaugelben schwedischen Flagge gegeben. Als sie in Züge für die Lager gepfercht wurden, hat er sie herausgeholt. Als sie auf Todesmärsche geschickt wurden, ist er ihnen mit Essen und Wasser gefolgt, das Leben rettete.»

Wallenberg stellte zigtausende Schutzpässe aus

Ein gutes halbes Jahr wirkte der damals 32-jährige Spross aus Schwedens mächtigster Finanzdynastie 1944 an der schwedischen Botschaft in Ungarn. Unermüdlich und weit über seine Befugnisse hinaus stellte er zigtausende «Schutzpässe» für Juden aus, die die deutschen Besatzer für Zwangsarbeit oder direkt nach Auschwitz deportieren wollten. Wallenberg organisierte Häuser als Schutzzonen und versorgte Juden auf «Todesmärschen» mit Nahrungsmitteln.

Der als Holocaust-Organisator nach Budapest gekommene Adolf Eichmann drohte, den «Judenhund Wallenberg» umbringen zu lassen, der so unglaublich viel Sand ins Getriebe der Vernichtungsmaschinerie werfen konnte. Ari Beslauer, überlebender Jude, schilderte beim Prozess gegen Eichmann in Jerusalem 1961 Wallenbergs Bedeutung so: «Er hat die Initiative ergriffen, uns Stärke gegeben und ist mit persönlichem Beispiel vorangegangen. Er war das Gegenteil von allem, was in Budapest passierte.»

Auch zum 100. Geburtstag kann niemand mit Sicherheit sagen, warum Wallenberg nach der Eroberung Budapests durch sowjetische Soldaten Anfang 1945 festgenommen und ins Moskauer Lubjanka-Gefängnis gebracht wurde. Und ob er hier wirklich, wie von den Behörden behauptet, am 17. Juli 1947 an einem Herzanfall starb. Oder, was als viel wahrscheinlicher gilt, mit Gift umgebracht wurde, um so das für den Kreml lästige Problem mit dem ausländischen Diplomaten zu «lösen».

Wegen 15 Kilo Gold festgenommen

In einer neuen Wallenberg-Biografie meint der Schwede Bengt Jangfeldt, der Grund für die Festnahme sei möglicherweise «ziemlich banal gewesen». Rotarmisten hätten den Schweden mit höchst verdächtigen 15 Kilo Gold und Schmuck im Auto angetroffen, die er für verfolgte Juden in Sicherheit bringen wollte. Jangfeldt sagte dazu im «Svenska Dagbladet»: «Die Russen gingen wohl davon aus, dass Wallenberg der Roten Armee Nazi-Gold vorenthalten wollte.

Schwedens Regierung hielt sich nach dem plötzlichen Verschwinden ihres Diplomaten mit Fragen oder gar Forderungen an die neue Weltmacht Sowjetunion betont zurück. Zu den Bemühungen der reichen Wallenberg-Familie, das Schicksal des Vermissten zu klären, meint Jangfeldt in seiner Biografie: «Man kann von ihrer Passivität nur betroffen sein.» Während Stockholmer Politiker den unangenehmen «Fall Wallenberg» vor allem wegen der Macht des Kreml als Ostsee-Nachbar «behutsam» abhandeln wollten, galten bei den Wallenbergs diskrete, aber bis zuletzt einträgliche Geschäfte mit der deutschen Nazi-Kriegswirtschaft als Hintergrund.

Stockholm schwenkte, so Jangfeldt, erst «nach einem halben Jahrhundert» um, als Raoul Wallenberg anderswo längst zu einer Symbolgestalt für persönlichen Einsatz gegen den Holocaust geworden war. 1981 erhielt er als zweiter Nicht-Amerikaner nach dem Briten Winston Churchill die Ehrenbürgerschaft der USA, 1986 die israelische und 2003 auch die ungarische. Zum 100. Geburtstag kommt am New Yorker Broadway das Musical «Wallenberg» mit der Musik von Benjamin Rosenbluth auf die Bühne. Das Badische Staatstheater in Karlsruhe führt die Oper «Wallenberg» des Esten Erkki-Sven Tüür auf.

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