Schüsse im Thalys-Zug: Ermittler gehen Terror-Spur nach

23.8.2015, 15:35 Uhr
Schüsse im Thalys-Zug: Ermittler gehen Terror-Spur nach

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Nach den Schüssen in einem Thalys-Zug gehen die Ermittler Hinweisen auf einen islamistischen Hintergrund nach. Der festgenommene 25-Jährige Marokkaner war von den spanischen Behörden als «potenziell gefährlich» eingestuft worden und soll nach Syrien gereist sein. Er selbst bestritt im Verhör jegliche Terror-Absichten. Der mit einer Kalaschnikow und einer Pistole Bewaffnete hatte nach Angaben der Behörden am Freitag im Hochgeschwindigkeitszug zwischen Brüssel und Paris mehrere Schüsse abgegeben. Fahrgäste, darunter zwei US-Soldaten, überwältigten ihn und werden nun als Helden gefeiert.

Präsident François Hollande empfängt die Männer - einen Franzose, drei Amerikaner und einen Brite - am Montagmorgen im Élyséepalast. Sie hätten eine «extrem schlimme Tat» verhindert, teilte das Präsidialamt mit. Bei dem Vorfall wurden zwei Menschen schwer verletzt. Als erste Konsequenz wird nun über Sicherheitsvorkehrungen in Zügen diskutiert. Belgiens Premierminister Charles Michel forderte schärfere Kontrollen von Reisenden im internationalen Bahnverkehr.

Der Verdächtige sagte den Ermittlern, er habe die Waffen in einem Park in Brüssel gefunden. Der Mann sei erstaunt über den Vorwurf des Terrorismus, sagte die Anwältin Sophie David, die ihn nach eigenen Angaben zu Beginn seines Gewahrsams betreute, am Sonntag dem Sender BFMTV. Seine Erklärung für den Vorfall: Er wollte Passagiere im Thalys erpressen, anschließend ein Fenster einschießen und dadurch flüchten. Er bestreitet demnach auch, geschossen zu haben - die Kalaschnikow habe nicht funktioniert. Auch eine Reise in die Türkei und nach Syrien bestritt er, wie David der Zeitung «Le Parisien» sagte.

Schüsse im Thalys-Zug: Ermittler gehen Terror-Spur nach

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Vorfall löst Debatte über Sicherheit im Bahnverkehr aus

Die französischen Behörden sind zum Motiv des Manns bislang zurückhaltend. Nach Angaben von Innenminister Bernard Cazeneuve hatten die spanischen Behörden den Mann aber wegen seiner Zugehörigkeit zur radikal-islamistischen Szene gemeldet. Von 2007 bis 2014 lebte er nach Aussagen dortiger Ermittler in Spanien, erst in Madrid und dann in Algeciras im Süden. Der Marokkaner wurde mehrfach wegen des Verdachts des Drogenhandels festgenommen.

Wie die spanische Presse am Sonntag unter Berufung auf Polizeikreise berichtete, radikalisierte er sich in Spanien und wurde 2012 als «potenziell gefährlich» eingestuft. Zuletzt soll er in Belgien gelebt haben, nach Aussage der Anwältin bezeichnete er sich als obdachlos.

Nach Darstellung Cazeneuves war ein französicher Fahrgast vor der Zugtoilette auf den Mann mit der Kalaschnikow getroffen, dessen Oberkörper nach Zeugenaussagen nackt war. Er versuchte, ihn zu stoppen, dann fielen Schüsse. Cazeneuve sagte nicht, ob die Schüsse aus dem Sturmgewehr oder aus der Luger-Pistole kamen. Daraufhin stürzten sich die zwei Soldaten in Zivil auf den Mann, bevor noch ein amerikanischer Student und ein britischer Geschäftsmann hinzukamen. Der amerikanische Soldat Spencer Stone wurde mit einem Cutter-Messer verletzt. Ein Schuss traf einen Franko-Amerikaner an seinem Platz.

Der Fall löste in Frankreich und Belgien eine Debatte über die Sicherheit im Bahnverkehr aus. In den Thalys-Zügen patrouillieren nun Polizisten. Der belgische Premier Charles Michel brachte Kontrollen wie beim Eurostar-Zug ins Spiel, der vom europäischen Festland aus nach London verkehrt. «Was für den Eurostar möglich ist, muss letztlich auch für andere internationale Züge möglich sein», sagte der Liberale dem öffentlichen Sender RTBF.

Bei den Zügen nach London werden Ausweise und Gepäck der Reisenden ähnlich wie am Flughafen kontrolliert. Michel forderte auch ein Krisentreffen der Innen- und Verkehrsminister aus Frankreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden - in diesen Ländern fahren die Thalys-Züge.

Frankreich war in den vergangenen Monaten wiederholt Ziel von Terroranschlägen oder -plänen mit islamistischem Hintergrund. Im Januar schockierten die blutigen Attacken auf die Redaktion des Satiremagazins «Charlie Hebdo» und einen jüdischen Supermarkt das Land. In der Region Paris gilt die höchste Terrorwarnstufe.

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