So veräppelt Jan Böhmermann die deutsche Popindustrie

6.4.2017, 19:33 Uhr
So veräppelt Jan Böhmermann die deutsche Popindustrie

© Youtube.com / Neo Magazin Royale / Screenshot: nb

Wieder einmal geht Jan Böhmermann ganz "normale" Wege, um an der heilen Welt durchschnittlicher Konsumenten oder Bürger zu rütteln. Er führt dem Fernsehzuschauer die Absurditäten des Alltags und des Konsums der Republik vor Augen. Diesmal rechnet er mit der deutschen Pop-Industrie ab.

Jan Böhmermann hat ein Lied produziert. Und die Schreiber des Textes bei der Gema angemeldet. Der ganz "normale" Weg also, den die großen Musikfirmen in Deutschland auch gehen. Nur: Angemeldet hat er fünf Schimpansen aus dem Gelsenkirchener Zoo. Denn die haben sein Lied geschrieben. So ungefähr.

Um genau zu sein, haben sie Obst gegessen. Und mit ihrem Geschmack für Bananen, Birnen und Weintrauben die Reihenfolge von Werbeslogans, Tweets von Youtubern, Kalenderblattsprüchen und Textzeilen aus aktuellen Deutschpop-Songs in Böhmermanns Liedtext bestimmt. Sein Lied "Menschen Leben Tanzen Welt" ist "jetzt überall erhältlich", sagt der Satiriker, - "wo, das darf ich nicht sagen, wir sind ein öffentlich-rechtlicher Sender".

Böhmermann will in die Charts

Man solle sein Lied doch aber bitte fleißig kaufen, denn es soll in die Charts. Um für den Echo 2018 nominiert zu werden - und damit nächstes Jahr fünf Schimpansen auf der Bühne stehen und einen "Echo" verliehen bekommen.

Jan Böhmermann rechnet mit Max Giesinger, Matthias Schweighöfer und Co. ab: Die Lieder der aktuellen Deutsch-Pop-Stars seien nichts als billigster Kommerz, auf den die Fans der "gefühlvollen Balladen" zu Scharen reinfielen. Man gaukele den Käufern nur vor, dass es sich bei diesen Songs um etwas anderes als die altbekannten Schlager handele. Nichts mit "deepen Texten", sondern immer nur die gleichen Themen: "Menschen Leben Tanzen Welt" eben.

Ihre Texte klingen nicht anders als Werbesprüche, die Videos sehen aus wie jeder x-beliebige Werbespot und Schleichwerbung würden sie sowieso alle machen - egal ob nun für Pick-Up oder Mercedes Benz. So gar nicht versteht Böhmermann, warum Glasperlenspiel mitten im Video zu ihrem Song "Für immer" einen Staubsauger und Mixer - von AEG - bräuchten. Dagegen seien Youtuber wie Bibi, Dagi und Sami Slimani "integer wie der Papst". Die geben bei ihren Produktplatzierungen in Videos zumindest an, dass sie gesponsert werden.

Die Lüge vom "Selbstgeschriebenen"

Selbstgeschrieben seien die Lieder von diesen sogenannten "Singer - Schrägstrich - Songwritern" ja ohnehin nicht. Besonders hart rechnet Böhmermann deshalb mit dem zweifach für den Echo nominierten Max Giesinger ab. Er behauptete im Radiosender Bayern 3, seine Lieder alle selbst zu schreiben. Auf Nachhaken des Moderators ergänzte Giesinger: "Ich hab 'nen Kumpel, mit dem mach ich das zusammen. Tatsächlich, stellt Böhmermann fest, haben seinen bisher größten Hit "80 Millionen" außer dem Sänger noch drei andere, darunter Alexander Zukowski, Sohn von Kinderliedermacher Rolf Zukowski, geschrieben.

Warum? Diese Drei schreiben auch für einen Haufen anderer Deutsch-Pop-Künstler, darunter Barbara Schöneberger, Conchita Wurst und Udo Lindenberg. Also nichts mit tiefen Storys aus dem eigenen Leben der "Songwriter". Produziert von immer den gleichen drei großen Firmen: Universal, Sony Music und Warner Music. Deren drei männliche CEOs mit ihrem Zahnpastalächeln und aufgeknöpften Hemdkrägen werden sich also auch bei der diesjährigen Echo-Verleihung wieder mächtig freuen. Jan Böhmermann fragt seine Zuschauer: "Ist der Echo eigentlich der Preis der deutschen Musikindustrie - oder der deutschen Industriemusik?"

"Affengeil und tierisch tiefgründig"

So ein Lied ganz billig produzieren, das kann Böhmermann auch. "Wie affengeil und tierisch tiefgründig deutsche Popmusik ist", will er beweisen: Die Schimpansen haben "einen echten Echo-Hit geschrieben". Interpret des Songs ist dann auch nicht nur Jan Böhmermann, sondern auch "Jim Pandzko", eine Anspielung auf Tim Bendzko.

Am Montag habe also sein Komponist im Studio in 30 Minuten eine Melodie gebaut. "Bisschen Disco-Kick, bisschen stadiontauglich... mit ganz viel Gefühl". Und: "Vorgestern hab' ich den Song eingesungen", behauptet Böhmermann - er legt Wert darauf, wie einfach die Produktion war. "Gestern haben meine Kollegen im Schnitt noch schnell an einem Nachmittag mit auch so'n bisschen Wohlfühl-Stockfoto-Zeug aus Amerika ein Musikvideo zusammengebaut. Völlig wahllos." Ein Song also, das "mit dem ganzen Kommerz-Scheiß nichts zu tun hat. Ich hab's selbst geschrieben", so Böhmermann.

Hier gibt's das Video:

 

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