Theorie des Cloud Seeding

Tödlicher Starkregen in Dubai: Haben die Scheichs das Wetter manipuliert?

Andrea Munkert

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18.4.2024, 12:59 Uhr
Ein Mann geht durch Hochwasser. Schwere Gewitter zogen am Dienstag über die Vereinigten Arabischen Emirate hinweg und brachten dem Wüstenstaat Dubai innerhalb weniger Stunden so viel Regen wie seit anderthalb Jahren nicht mehr, wodurch Teile der Hauptverkehrsstraßen und der internationale Flughafen überflutet wurden.

© Jon Gambrell/dpa Ein Mann geht durch Hochwasser. Schwere Gewitter zogen am Dienstag über die Vereinigten Arabischen Emirate hinweg und brachten dem Wüstenstaat Dubai innerhalb weniger Stunden so viel Regen wie seit anderthalb Jahren nicht mehr, wodurch Teile der Hauptverkehrsstraßen und der internationale Flughafen überflutet wurden.

Dubai steht eigentlich für Hitze, viel Sonnenschein, Trockenheit und Wüste. In den vergangenen Tagen zeigte sich das Emirat komplett anders: Gewaltige Regenmassen kamen vom Himmel. Straßen verwandelten sich in Flüsse, Häuser und Geschäfte wurden überschwemmt, teils von den Wassermassen weggerissen. Der Flughafen war betroffen, Schulen mussten schließen. Auf Videos, die die Menschen auf Social Media konnte man sehen, wie Autos in Wassermassen eingeschlossen waren. Es herrschte Chaos, es hagelte und stürmte.

Es sind die schwersten Regenfälle seit 75 Jahren, die über den Vereinigten Emiraten niedergingen. Davon spricht das Nationale Zentrum für Meteorologie. Die Nachrichtenagentur AP berichtet von 142 Litern Regen pro Quadratmeter am Dienstag in Dubia, andere führen bis zu 254 Liter pro Quadratmeter ins Feld.

Ungewöhnlich in einem und für eines der trockensten Gebiete auf dem Globus. Einige Experten sehen daher keine natürliche Ursache für den Starkregen, das Hochwasser, den Hagel. Und sie führen einen Begriff ins Feld: Cloud Seeding. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine Technik, mit der künstlicher Regen erzeugt wird. NCM-Meteorologe Ahmed Habib hatte gegenüber dem Nachrichtennetzwerk "Bloomberg" geäußert, dass Flugzeuge innerhalb von zwei Tagen sieben Missionen durchgeführt hätten, bevor die krassen Regenfälle Teile des Wüstenstaates überschwemmten. Ist diese Theorie haltbar?

Seit 1947 wird am Cloud Seeding geforscht. Der US-Nobelpreisträger Irving Langmuir wollte Wolken mit Trockeneis "impfen" und so Kondensationskeime schaffen. "Kondensationskeime sind mikroskopisch kleine Teilchen, an denen sich Wasser festsetzt", wird Meteorologe Frank Böttcher von "ntv.de" zitiert. Wenn man nun mehr von den Partikeln in eine Wolke hineingebe, "besteht die Hoffnung, dass sich an dieser Stelle tatsächlich mehr Wassertröpfchen bilden, die Wolken größer werden und es regnet".

Klimawissenschaftler wie Michael Mann von der University of Pennsylvania erklären, die extremen Regenfälle zeigten, was auf die Welt in Folge des vom Menschen verursachten Klimawandels zukomme. Wer behaupte, Cloud Seeding sei für die Überschwemmungen verantwortlich gewesen, ignoriere die wahren Ursachen, sagt Mann. Viele Anhänger der Theorie über die auch als Wolkenimpfung bezeichnete Methode seien Leugner des Klimawandels, die versuchten, die Aufmerksamkeit von dem abzulenken, was tatsächlich auf der Erde passiere.

"Wenn wir über starke Regenfälle sprechen, müssen wir auch über den Klimawandel sprechen. Die Fokussierung auf Cloud Seeding ist irreführend", sagt die Klimaforscherin Friederike Otto vom Imperial College of London, die ein Team leitet, das daran arbeitet, festzustellen, ob Wetterextreme durch die globale Erwärmung verursacht wurden oder durch andere Faktoren.

Viele Jahre wurde weitergeforscht - zum Beispiel, dass Silberjodid anstelle von Trockeneis noch effektiver funktionierte. Auch sogenannte hygroskopische Substanzen, die Wasser anziehen - Salzpartikel - zeigten guten Regenerfolg. Sie nehmen Wasserdampf auf, wachsen dadurch, um schließlich schwer genug zu werden, um abzuregnen. Mithilfe von Flugzeugen, Drohnen und Raketen können diese Stoffe in die Wolken "geimpft" werden. Letztlich kontrolliert man so das Wetter.

Viele Staaten wollen das Wetter beeinflussen

Gerade in Wüstenstaaten wie den Vereinigten Emiraten fällt so gut wie kein Regen. Hitzeperioden und chronischer Wassermangel dominieren. Die Niederschlagsmenge pro Jahr liegt durchschnittlich zwischen 95 und 140 Litern pro Quadratmeter. Wir in Deutschland verzeichnen einen Schnitt rund 800 Litern.

Seit rund zwei Dekaden arbeiten die Vereinigten Emirate daran, künstlichen Regen zu schaffen. Vor einigen Jahren soll es einen Durchbruch gegeben haben. Cloud Seeding habe den Niederschlag verstärkt, teilte das Nationale Zentrum für Meteorologie damals mit. Zur Untermauerung veröffentlichte der Wetterdienst Videoaufnahmen von starken Regenfällen.

Was man weiß: Cloud Seeding funktioniert in der Theorie und im Labor. Experten sind sich aber uneins, ob es auch praktischen Nutzen hat. Effekte seien im Einsatz in der Natur wenig nachweisbar. Das betont auch Böttcher gegenüber "ntv.de": "Einmal fliegt man rein und guckt, was passiert. Das zweite Mal fliegt man eben dran vorbei und macht gar nichts." Physikalisch sei das jedoch unmöglich und somit fehle bis heute der Beweis. Man bräuchte zwei identische Wolken. Wenn es regnet, könne man nicht nachprüfen, ob es aufgrund der "Wolkenimpfung" regnet oder aus natürlichen Gründen heraus. Meist würden Wolken geimpft, die bereits viel Feuchtigkeit in sich tragen. Das Vorgehen ist teuer und würde sich sonst nicht rechnen. Somit kann man auch die jüngsten Unwetter über Dubai nicht eindeutig auf Cloud Seeding zurückführen.

Klimawandel als Ursache ist wahrscheinlicher

Andere Wetterexperten sehen eher ein komplexes Sturmsystem als Grund für das heftige Unwetter über Dubai. Das fegte auch über die Arabische Halbinsel und über den Golf von Oman. Auch im Südosten des Iran und im Oman regnete es heftig ab, in Oman gab es sogar 18 Todesfälle aufgrund sturzbachartigen Regens und Überschwemmungen. Forscher und Experten führen das Wetterphänomen daher eher dem Klimawandel zu. Es existieren Klimamodelle, denen zufolge die Arabische Halbinsel im Zuge der Erderwärmung auf dem Globus mit einem besonders heftigen Anstieg bei Extremwerten im Niederschlag rechnen sollte.

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