Toter Flüchtling in Berlin: Tragödie oder Gerücht?

27.1.2016, 16:07 Uhr
Nach Angaben von Helfern ist in Berlin ein 24-jährige Syrer nach tagelangem Warten vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einem Herzstillstand erlegen.

© Gregor Fischer (dpa) Nach Angaben von Helfern ist in Berlin ein 24-jährige Syrer nach tagelangem Warten vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einem Herzstillstand erlegen.

Der Mann sei in der Nacht zu Mittwoch im Rettungswagen verstorben, sagte die Sprecherin des Netzwerks „ Moabit hilft“, Diana Henniges, der Nachrichtenagentur AFP.

Die Senatsverwaltung betonte jedoch, der Fall habe sich nicht bestätigen lassen. „Wir haben alle Aufnahme-Krankenhäuser abgefragt“, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. „Dort gibt es keine Informationen darüber.“ Auch ein Sprecher der Feuerwehr sagte, sämtliche Einsätze des Rettungsdienstes in dem entsprechenden Zeitraum seien geprüft worden – allerdings ohne Ergebnis.

Die Sprecherin von „ Moabit hilft“, Henniges, wollte zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen weder dessen Namen noch das behandelnde Krankenhaus veröffentlichen.

Auch der Flüchtlingshelfer Dirk V., der im Internet als erster vom angeblichen Tod dses Asylbewerbers berichtet hat, will sich zunächst nicht mehr äußern. Das teilte „Moabit hilft“ vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ( Lageso) mit. Das habe er in einer SMS mitgeteilt und darin auch erklärt, sich noch früh genug an die zuständigen Behörden wenden zu wollen. Sein Telefon sei ausgeschaltet, und auch die Tür öffne er nicht. Die Polizei klingelte nach eigenen Angaben ebenfalls vergeblich.

"Tagelang im Schneematsch"

Der Verstorbene habe mehrere Tage vor dem Lageso angestanden und sich dabei mutmaßlich erkältet, sagte Henniges. „Wenn man tagelang im Schneematsch herumsteht, wird aus einem Schnupfen schnell eine Lungenentzündung.“ Der Mann sei ohne Unterkunft, Geld und Krankenschein gewesen. Deshalb habe er sich auch nicht behandeln lassen können. Den Helfern sei er bereits bekannt gewesen, er sei unter anderem mit Kleidung versorgt worden.

Der Flüchtlingshelfer Dirk V. lud den erschöpften Syrer in der Nacht zu Mittwoch zu sich nach Hause ein, wie die Sprecherin weiter sagte. Dort habe sich der unter Fieber leidende Mann hingelegt und später ein auffälliges Verhalten gezeigt. Schließlich sei der Mann noch im herbeigerufenen Rettungswagen einem Herzstillstand erlegen.

Im Internet-Netzwerk Facebook veröffentlichte V. eine Nachricht unter dem Titel „Protokoll eines sterbenden Menschen“. Darin ist der Nachrichten-Dialog von V. mit einer Bekannten zu lesen. Er schrieb demnach um kurz nach 02.00 Uhr: „Hab grad einen kranken Mann hier liegen, überlege, ob ich einen Krankenwagen rufen muss.“

Die Rückfrage nach dessen Symptomen beantwortet V. mit: „Ich weiß es nicht, er hat 39,4 Fieber, Schüttelfrost und kann nicht mehr sprechen.“ Das entsprechende Posting ist mittlerweile anscheinend wieder gelöscht.

Über viele Tage kein Geld ausbezahlt

Wenn sich die Nachricht so bestätigen sollte, „finde ich das schrecklich“, sagte Christine Lambrecht, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, in Berlin. Der Bund habe viel Geld in die Hand genommen zur Unterstützung der Länder. Sie gehe davon aus, dass dieses auch an die Kommunen weitergeleitet werde.

Am Dienstag hatte der zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) Medienberichte bestätigt, wonach wegen eines Bearbeitungsstaus beim Lageso Flüchtlinge über viele Tage kein Geld ausbezahlt bekamen. Den Berichten zufolge konnten sich die Betroffenen zeitweise keine Lebensmittel kaufen und waren auf Spenden angewiesen.

Wegen des andauernden Chaos beim Lageso steht Czaja seit Monaten in der Kritik. „Die Zustände sind untragbar“, sagte Henniges. Sie forderte Czajas Rücktritt. „ Moabit hilft“ und die Lageso-Führung streiten sich weit Monaten wegen der Missstände beim Flüchtlingsmanagement in Berlin.

Der Artikel wurde um 16.07 Uhr aktualisiert.