Urteil nach Prozess um tödlichen Exorzismus

21.2.2017, 10:34 Uhr

Selten müssen Richter über angebliche Teufelsaustreibungen urteilen. Und so sorgte auch ein Exorzismus-Fall in Frankfurt für großes Aufsehen. Eine 41-Jährige starb dabei im Dezember 2015 in einem Hotelzimmer, durch die Hände ihrer südkoreanischen Verwandten. Mord aus Grausamkeit - davon gehen die Ermittler aus. Die Staatsanwaltschaft spricht noch zu Beginn des Prozesses von einer "gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung" der Angeklagten.

Am Ende des monatelangen Prozesses ergibt sich für das Frankfurter Landgericht aber doch ein etwas anderes Bild. Ein "tragisches Geschehen" - so fasst es der Vorsitzende Richter der Jugendstrafkammer, Ulrich Erlbruch, am Montag in einer Vorbemerkung zum Urteil zusammen.

Das grausame Bild der Angeklagten sei unrichtig

Er zeichnet darin ein Bild von Tätern, die irgendwie auch Opfer sind. Der Vorsitzende Richter nimmt sich dann die teils reißerische Berichterstattung vor. "Das Bild der Angeklagten als grausame Folterer hat sich als unrichtig erwiesen", betont er. Die fünf angeklagten Koreaner seien keine kaltblütigen Killer, sondern seien aufgrund ihrer «spirituellen Überzeugung» überzeugt gewesen, dem Opfer zu helfen und einen Dämonen zu vertreiben.

Seit Oktober 2016 hatte das Landgericht versucht, die Geschehnisse des 5. Dezember 2015 in Zimmer 433 eines großen Frankfurter Hotels aufzuarbeiten. Dort war die 41-Jährige in den frühen Morgenstunden aggressiv geworden, sie schlug um sich und führte Selbstgespräche - so schilderten es zumindest ihre Verwandten vor Gericht. "Ich bin der Teufel, ich bringe Euch alle um", soll die Frau gerufen haben. Daraufhin schritt die Familie zur Teufelsaustreibung. Die Frau erstickte schließlich.

Die Familie sprach von einer "religiösen Ohnmacht"

Die Verwandten riefen erst dann einen koreanischen Geistlichen, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und die Familie einige Monate zuvor kennengelernt hatte. Ihm erzählten die Familienmitglieder von einer "religiösen Ohnmacht", wie der Pfarrer vor Gericht aussagte. Der Hoteldirektor habe dann die Polizei und den Notarzt gerufen. Der Priester gab schließlich Hinweise auf die Teufelsaustreibung.

Besonders tragisch: Der 16-jährige Sohn war dabei, als seine Mutter starb. Der junge Mann trägt Handschellen, als er am Montag zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal geführt wird, hält einen Ordner dicht vor das Gesicht gepresst. Sein Anwalt legt den Arm schützend um den Jugendlichen.

Kein Tatbeteiligter wollte den Tod des Opfers

Mit Blick auf den 16-Jährigen, der hinter dicken Brillengläsern vor sich hin starrt, spricht Richter Erlbruch von der glaubhaften Reue gerade der jugendlichen und heranwachsenden Angeklagten. Sie hätten nicht nur unter den Folgen der Tat zu leiden, sondern "auch unter dem Verlust eines geliebten Menschen". Keiner der Tatbeteiligten habe den Tod der 41-Jährigen gewollt, fügt er hinzu. Der Sohn des Opfers und drei andere Verwandte im Alter zwischen 16 und 22 Jahren kommen letztlich mit Bewährungsstrafen davon.

Bereits bei ihrem Plädoyer Ende der vergangenen Woche war die Staatsanwaltschaft vom Mordvorwurf abgerückt, auch wenn sie der 44-jährigen Hauptangeklagten vorhielt, sie habe sich angemaßt, "über Leben und Tod anderer zu entscheiden". Die Frau, eine gelernte Krankenschwester, habe als einzige Erwachsene in der Gruppe das Geschehen gesteuert, heißt es dann auch in der Urteilsbegründung. Sie erhält sechs Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge.

Die Angeklagten fürchteten Dämonen

Die südkoreanische Familie war den Ermittlungen zufolge erst rund sechs Wochen vor der Tat ins Rhein-Main-Gebiet gekommen, sie mietete zunächst ein Haus im Taunus. In das Hotel sollen sie später gezogen sein, weil einige Familienmitglieder befürchteten, dass sich in dem Mietshaus Dämonen aufhielten.

Ein psychiatrischer Gutachter hatte in dem Prozess gesagt, der Glaube an Geister, Dämonen oder den Teufel und deren Austreibung sei vor dem Hintergrund des Kulturkreises der aus Korea stammenden Angeklagten «nicht per se ungewöhnlich oder abstrus».