Abschied von Nürnberg: Grundig-TV verlässt die Region

1.5.2016, 20:42 Uhr
Abschied von Nürnberg: Grundig-TV verlässt die Region

© Keystone

Alte Grundig-Mitarbeiter haben das Bild vor Augen, als geschehe es noch heute jeden Tag. Aufgereiht wie die Tasten auf einem Klavier stehen die Busse jeden früh vor sieben Uhr vor dem Werk in Langwasser und entlassen nach oft mehrstündiger Fahrt ihre wertvolle Fracht: Frauen und Männer aus der gesamten Region, die bei Grundig einst gutes Geld verdienen konnten.

Das ist lange her. Bis zu 28 000 Menschen arbeiteten einst in Franken für das Unternehmen, das Max Grundig ab 1930 mit innovativen Ideen wie dem legendären Radiobausatz „Heinzelmann“ nach und nach zu einem Weltkonzern aufgebaut hatte. Weltweit hatte der Unterhaltungselektronik-Konzern, dessen Sitz im Jahr 2000 von Fürth nach Nürnberg verlegt wurde, auf dem Höhepunkt sogar 38 500 Beschäftigte in 28 Werken – Grundig war lange wie nur wenige andere Unternehmen exquisiter Markenbotschafter für die Region.

Nürnbergs IG-Metall-Chef Andreas Weidemann würdigte gestern in der Rückschau Grundig denn auch als einen der herausragendsten Arbeitgeber. Er machte aber auch klar: „Die Verlagerung jetzt ist nur noch der endgültige Schlusspunkt einer Ära, die eigentlich schon mit der Insolvenz im Jahr 2003 zu Ende gegangen war.“

Und tatsächlich. So steil der Aufstieg Grundigs in die Spitzengruppe der deutschen Industrie war, so dramatisch und für alle Beteiligten schmerzhaft war der jahrelange Niedergang, begleitet von wechselnden Eigentümern, ständigen Sanierungsprogrammen und vor allem einem unaufhaltsamen Stellenabbau. Grundig war und ist ein Lehrbeispiel dafür, wie schnell und nachhaltig Konzerne abstürzen können, wenn sie die Chance verpassen, mit neuen Ideen am Leben zu bleiben.

Das in Trümmern liegende Grundig-Imperium wurde aufgespaltet. Die Autoradiosparte ging an den US-Konzern Delphi, das Bayreuther Diktiergerätewerk machte sich als Grundig Business Systems GmbH selbstständig, ebenso die Grundig SAT Systems.

Heute in türkischer Hand

Das Herzstück von Grundig aber, die Radio- und TV-Sparte, gehört seit 2004 dem türkischen Hausgeräte- und Unterhaltungselektronikkonzern Arçelik, der wiederum selbst Tochter der größten Unternehmensgruppe der Türkei, des Koç-Konzerns, ist. Die TV-Forschung und -Produktion waren seitdem in Istanbul angesiedelt, in Nürnberg blieben mit der Grundig Intermedia GmbH hauptsächlich Marketing- und Vertriebseinheiten für den deutschen Markt, für Österreich und für Skandinavien.

Für den IG-Metaller Weidemann gehört auch das zu den Auffälligkeiten der Grundig-Geschichte: „Früher sind Unternehmensvertreter in die Türkei geflogen, um reihenweise türkische Arbeitskräfte anzuwerben. Und dann übernimmt ausgerechnet ein türkischer Konzern die Reste dieses Arbeitgebers.“

Abschied von Nürnberg: Grundig-TV verlässt die Region

© Karlheinz Daut

Ein Brancheninsider aus der Region attestiert den Arçelik-Leuten durchaus Erfolge unter der Grundig-Flagge. „Der Konzern hat es von Anfang an verstanden, das ungeheure Potenzial der Marke zu nutzen“, hieß es gestern dazu. Glaubt man Markt-Kennzahlen, dann war tatsächlich der Handel schnell von der Qualität der türkisch-fränkischen Produkte überzeugt, die Kunden vertrauten dem Namen weiter, das Unternehmen gewann Jahr für Jahr in schwierigen Zeiten Marktanteile zurück. Der Name des Fürther Gründers trug sogar soweit, dass der türkische Hausgerätekonzern auch Haarföhne, Staubsauger und zuletzt sogar Kühlschränke und Herde unter dem Grundig-Logo verkaufte.

Umzug deutete sich an

Jetzt also soll die Grundig Intermedia nach Neu-Isenburg verlagert werden. Indizien für diesen Schritt gab es schon länger. Im Oktober vergangenen Jahres wurde klar, dass Grundig zum Jahresende nicht mehr als Namensgeber des Nürnberger Stadions auftreten will. Und im Januar übernahm überraschend der bisherige Beko-Deutschland-Chef Sühel Semerci die beiden Gesellschaften Grundig Intermedia und Beko Deutschland in Personalunion.

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