Ankara: Was wir bisher über den Putschversuch wissen

16.7.2016, 12:35 Uhr
Ankara: Was wir bisher über den Putschversuch wissen

© dpa

Putschversuch in der Türkei: Militärs versuchen, Präsident Erdogan zu stürzen - der wehrt sich. In der größten Stadt des Landes herrscht Chaos.

>>> Hier geht's zum Live-Ticker.

WAS WIR WISSEN:

- Türkische Streitkräfte haben mit einem Putschversuch gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan begonnen. Sie wollen die Macht im Land übernehmen. Erdogan hatte in den vergangenen Jahren versucht, das putschfreudige türkische Militär weitgehend zu entmachten.

- In Istanbul sind nach Augenzeugenberichten Schüsse in den Straßen zu hören. Kampfjets fliegen im Tiefflug über Istanbul. Explosionen dröhnen durch die Stadt. In der größten Stadt der Türkei herrscht Chaos.

- Das Militär hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über die Türkei. Es hat eine Ausgangssperre verhängt. Das Präsidialamt und Regierungsvertreter bestreiten das. "Das ist ein Angriff gegen die türkische Demokratie", teilte das Präsidialamt mit. "Eine Gruppe innerhalb der Streitkräfte hat außerhalb der Kommandostruktur einen Versuch unternommen, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen."

- Erdogan wehrt sich gegen den Putsch. In der Nacht zu Samstag meldete er sich gegen Mitternacht telefonisch beim Nachrichtensender CNN Türk: "Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu versammeln. Sollen sie (die Putschisten) mit ihren Panzern und ihren Kanonen machen, was sie wollen."

- Die türkische Regierung bittet um internationalen Beistand: "Wir drängen die Welt, solidarisch zum türkischen Volk zu stehen", teilte das Präsidialamt mit.

WAS WIR NICHT WISSEN:

- Wie weit reicht die Kontrolle des Militärs tatsächlich? Die Angaben des Militärs und er Regierung widersprechen sich. Die Lage in der Türkei war in der Nacht zu Samstag für Beobachter unübersichtlich. Auch welche Teile des Militärs an dem Putsch beteiligt sind, war zunächst nicht eindeutig.

- Der genaue Aufenthaltsort von Präsident Erdogan ist unklar. Er sei an einem sicheren Platz, hieß es aus seinem Umfeld. In sozialen Medien kursierten Gerüchte, ein Flugzeug mit Erdogan an Bord habe um Erlaubnis gebeten, Deutschland anfliegen zu dürfen. Von deutscher Seite gab es dazu zunächst keine offizielle Bestätigung.

- Was die Streitkräfte nach einer möglichen Machtübernahme vorhaben, war vorerst unklar. Mit dem Putsch sollten unter anderem die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden, teilte das Militär nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mit. Darüber hinaus veröffentlichte die Armee vorerst keine Agenda oder politische Ziele.

- Wie ist die Lage für Urlauber? In Urlaubsregionen sei die Lage ruhig, sagte ein Sprecher des Veranstalters Thomas Cook am Morgen - er habe zumindest keine gegenteiligen Informationen. Die Buchungen in die Türkei waren wegen der Anschläge in den vergangenen Monaten bereits eingebrochen.

PUTSCHE IN DER TÜRKISCHEN GESCHICHTE:

Die türkische Armee sieht sich als Wächterin der weltlichen Verfassung des Landes und hat seit 1960 drei Mal gegen die Zivilregierung geputscht:

27. Mai 1960: Das Militär sieht das demokratische System bedroht und stürzt die Regierung in einem Putsch. Ministerpräsident Adnan Menderes und zwei Minister werden im September 1961 gehängt. Die Regierung hatte die Pressefreiheit sowie die politischen Rechte der Opposition eingeschränkt. Studentenunruhen waren die Folge. Die Militärs bleiben 17 Monate an der Macht.

12. März 1971: Die zweite Intervention gilt als Antwort der Armee auf den wachsenden Terror gewalttätiger Gruppen der extremen Linken. Die Generale zwingen Ministerpräsident Süleyman Demirel per Denkschrift zum Rücktritt. Im Jahr darauf setzt das Militär wieder eine zivile Regierung ein.

12. September 1980: Auch die zweite Amtszeit Demirels endet mit seinem Sturz. Die Militärführung unter General Kenan Evren verhängt das Kriegsrecht, um den Verfall staatlicher Autorität angesichts des Terrors von Rechts und Links aufzuhalten. Etwa 650 000 Menschen werden festgenommen und zahlreiche hingerichtet. Erst im November 1983 geht die Militärherrschaft offiziell zu Ende.

30. Juni 1997: Eine politische Einmischung, aber kein Putsch: Die Armee erzwingt den Rücktritt des ersten islamistischen Ministerpräsidenten der Türkei, Necmettin Erbakan. Er war der Ziehvater des heutigen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan.

Keine Kommentare