Ausgedoktort: Guttenberg schrieb bei Studenten ab

18.2.2011, 16:18 Uhr
Ausgedoktort: Guttenberg schrieb bei Studenten ab

© dpa

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bleibt im Amt. Zwar räumte der CSU-Politiker öffentlich „Fehler“ bei der Erstellung seiner Doktorarbeit ein und entschuldigte sich. Auch will er seinen Doktortitel bis zur Klärung des Sachverhalts durch die Universität Bayreuth zeitweilig nicht führen. „Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf die Führung des Titels verzichten“, so Guttenberg.

Dies passierte schneller als erwartet: Auf der Internetseite von Karl-Theodor zu Guttenberg ist der Doktortitel zügig entfernt worden. Noch um 12.20 Uhr war die «Willkommen»-Seite mit «Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg» überschrieben. Gegen 12.45 Uhr war der «Dr.» bereits verschwunden.

Am späten Donnerstagabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Verteidigungsminister zu einem Gespräch empfangen. Danach hieß es, sie habe ihm Unterstützung zugesagt, sofern er sich öffentlich erkläre. Auch die Opposition verlangte Aufklärung. Rücktrittsforderungen kamen aber nur vereinzelt gegen den in der Öffentlichkeit sehr beliebten Politiker.

Gleichzeitig löste Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Erklärung einen Eklat aus. Für die Stellungnahme in seinem Ministerium schloss der sonst keineswegs öffentlichkeitsscheue CSU-Politiker einen Großteil der deutschen Medien aus.

"Kein Plagiat“

Gutttenberg sagte in einer überstürzt einberufenen und nur für einige Journalisten zugänglichen Erklärung über seine Dissertation: „Sie enthält fraglos Fehler.“ Das tue ihm „aufrichtig leid“. Zu keinem Zeitpunkt habe er jedoch „bewusst getäuscht“. Er fügte an: „Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“ Er habe die Arbeit in einem Zeitraum von sieben Jahren neben seiner Tätigkeit als Politiker und seinen Verpflichtungen als junger Familienvater angefertigt. 

Gegen den Minister sind wegen der Affäre um seine Doktorarbeit zwei Strafanzeigen gestellt worden. Bei der ersten Anzeige gehe es um mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky. Sie sei an die für Wirtschaftsstrafsachen zuständige Staatsanwaltschaft in Hof weitergeleitet worden. Von dort sollte es noch am Vormittag eine schriftliche Stellungnahme geben.

Bei der zweiten Strafanzeige geht es laut Janovsky um den Vorwurf der falschen eidesstattlichen Versicherung. „Da die Promotionsordnung der rechtswissenschaftlichen Fakultät keine Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vorsieht, ist das auch kein Grund für Ermittlungen“, sagte Janovsky. Die Promotionsordnung sieht eine ehrenamtliche Erklärung des Bewerbers darüber vor, dass er seine Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt hat.

Parlamentsjuristen eingespannt?

Der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka richtete an Bundestagspräsident Lammert in einem Brief die Frage, wie oft und zu welchen Themen Guttenberg als CSU-Parlamentarier zwischen 2002 und 2007 dort juristische Ausarbeitungen und Literaturlisten bestellt habe.

Nach Ansicht der Linken wäre es «Amtsmissbrauch», wenn Guttenberg tatsächlich die Parlamentsjuristen mit Zuarbeiten für seine Dissertation beauftragt hätte. «Seine Einlassung, dass er keine wissenschaftlichen Mitarbeit für seine Doktorarbeit eingesetzt hat, wäre dann zumindest eine halbe Lüge», sagte die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Caren Lay.

Guttenberg hatte in seiner Promotionsarbeit den Wissenschaftlichen Dienst als Sekundärquelle für eigene Vorträge zitiert, an einer Stelle auch als Primärquelle. In einer Fußnote Guttenbergs heißt es laut Medienberichten, die Ausarbeitung des Dienstes sei in seinem Auftrag erfolgt.



Der Wissenschaftliche Dienst recherchiert für Abgeordnete in Ausübung ihres Mandats. «Der Deutsche Bundestag behält sich sämtliche Rechte an Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes vor. Veröffentlichung und Verbreitung bedürfen grundsätzlich der Zustimmung der Abteilungsleitung», heißt es in den Nutzungsrichtlinien.

In aller Regel werden die Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes von Mitarbeitern des Abgeordneten angefordert. Guttenberg hatte am Mittwoch betont: «Sollte jemand auf die Idee kommen zu behaupten, Mitarbeiter meines Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht zu.»

Unterstützung aus den eigenen Reihen

Plagiatsjäger listen im Internet mehr als 80 Textstellen auf, die Guttenberg abgekupfert haben soll, ohne korrekt darauf hinzuweisen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahm Guttenberg in Schutz. «Ihm zu unterstellen, dass er die ganze Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, (...) wird dem Charakter dieser Arbeit überhaupt nicht gerecht», sagte er. «Jedem passiert auch mal vielleicht ein Fehler.» Er empfahl aber, so rasch wie möglich Klarheit zu schaffen. Auf die Frage, ob Guttenberg wegen dieser Affäre zurücktreten müsse, sagte Schäuble: «Wir müssen zunächst einmal warten (...) und den Sachverhalt aufklären.»

Ausgedoktort: Guttenberg schrieb bei Studenten ab

© dpa

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) forderte Geduld bei der Prüfung der Vorwürfe. «Ich finde, auch Minister haben den Anspruch, nicht vorverurteilt zu werden.» Der Parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) aus Fürth sagte: «Wenn die bisherigen Fußnoten nicht ausreichen, muss es eine zweite, verbesserte Auflage geben.»

CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder sagte: «Ich glaube, hier sind offenbar Fehler passiert.» Dies könne er aber nicht abschließend beurteilen. Die Universität Bayreuth forderte eine Stellungnahme von Guttenberg innerhalb von zwei Wochen.

Plagiatsjäger auf der Pirsch

Die Doktorarbeit von Guttenberg wird nicht nur von Medien, sondern auch von Plagiatsjägern im Internet genau seziert. Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann, setzte ihm am Donnerstag eine zweiwöchige Frist, dazu Stellung zu nehmen. Er gehe davon aus, dass Guttenberg eine ehrenwörtliche Erklärung abgegeben habe, die Arbeit selbstständig verfasst und alle Quellen offengelegt zu haben, sagte Bormann.

«Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst.» Die Uni habe sehr strenge Qualitätsmaßstäbe. «Wir sind gut beraten, diese einzuhalten.» Zu möglichen Konsequenzen wollte sich Bormann nicht äußern. Die Folgen reichen von der Aufforderung, die Doktorarbeit nachzubessern, bis zur Aberkennung des Doktortitels.



In der Dissertation findet sich eine Textpassage aus einem Aufsatz des Staatsrechtlers und ehemaligen Verteidigungsministers Rupert Scholz (CDU). Dabei geht es um einen Beitrag von 2001 mit dem Titel «Fünfzig Jahre Bundesverfassungsgericht». Eine Fußnote von Scholz übernahm er ebenfalls. Ein Hinweis auf Scholz fehlt aber in der Doktorarbeit.

SPD fordert Rücktritt

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat Guttenberg für den Fall, dass ihm der Doktortitel aberkannt wird, den Rücktritt nahegelegt. „Wenn ihm der Doktortitel abgenommen würde, dann müsste er auch das Amt verlassen“, sagte Wiefelspütz. „Mit diesem Makel kann man nicht mehr Minister sein. Das würde auch für jeden anderen gelten.“ Allerdings sei es noch zu früh für eine abschließende Bewertung der Vorgänge und den Ruf nach Konsequenzen, räumte der Innenexperte ein.

Koalitionspolitiker befürchten nun, dass die Plagiatsaffäre eine Hetzjagd auf promovierte Politiker lostritt. „Momentan ist das große Jagdfieber ausgebrochen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis gegen andere promovierte Politiker Plagiatsvorwürfe erhoben werden“, sagte der parlamentarische FDP-Geschäftsführer Jörg van Essen. Die wissenschaftliche Reputation der Bundestagsabgeordneten stehe auf dem Spiel, warnte er. Es dürfe nicht sein, dass „jetzt alle Politiker mit Doktortitel unter einen Generalverdacht gestellt werden“.

Ausgedoktort: Guttenberg schrieb bei Studenten ab

© dpa

Die Schweizer Zeitung „NZZ am Sonntag“ hat den Spieß umgedreht und wirbt nun in eigener Sache mit dem Plagiatsvorwurf gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Auf ihrer Internetseite verbreitet das Blatt, das zur „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) gehört, den Hinweis: „“NZZ am Sonntag“, “Summa cum laude“ – Universität Bayreuth“.

Hintergrund ist der Vorwurf, Guttenberg habe aus einem Artikel der Zeitung aus dem Juni 2003 zitiert und dies in seiner mit der höchsten Auszeichnung bewerteten Promotionsschrift ohne Quellenangabe verwendet. Der Chefredakteur der Zeitung, Felix Müller, hatte von zu Guttenberg eine Entschuldigung verlangt. Bei dem Textblock handele es sich „absolut um ein Plagiat“.

Text von Studienanfänger in Guttenbergs Doktorarbeit

Die „Berliner Zeitung“ berichtete, dass sich in Guttenbergs Dissertation mehrere Passagen aus einer Seminararbeit eines Politik-Studenten der Freien Universität in Berlin fänden. Die Arbeit wurde von dem betreuenden Professor anonym ins Netz gestellt – als „Beispiel für eine gelungene Hausarbeit“, schrieb der Professor in einer Notiz. Die Hausarbeit trägt den Titel: „Die Diskussion über den zukünftigen konstitutionellen Rahmen der EU aus dem Blickwinkel der Verfassungsgeschichte der USA“. Als Hinweis für die anderen Studenten bemerkte der Professor noch: „Bitte beachten Sie auch hier wieder den Urheberschutz etc.“

6 Kommentare