Bamf-Affäre: Erleichterung über Cordts Abgang

16.6.2018, 16:29 Uhr
Jutta Cordt betonte vor Journalisten, dass sie den Bremer Skandal aufklären wolle.

© dpa Jutta Cordt betonte vor Journalisten, dass sie den Bremer Skandal aufklären wolle.

Cordt legte in dem überhitzten Raum in der Berliner Außenstelle ihrer Behörde schnell ihr Jacket ab, saß in kurzärmeligem Kleid flankiert von vier Mitarbeitern an einem langen Tisch und sprach eineinhalb Stunden über sich und ihre Arbeit. Sie betonte, dass sie diverse Mechanismen eingezogen habe, die die Sicherheit der Asylverfahren erhöhen sollten. Dass sie viel tue, um gute Verfahren zu gewährleisten. Dass sie den Bremer Skandal aufklären wolle. Und bei all dem warb sie auch darum, ihren Job weitermachen zu können.

Krisenkommunikation ist nichts neues für die 54-Jährige. Sie hatte das Bamf 2017 zwar schon als skandalerprobte Behörde übernommen, doch seit Woche ballten sich die Berichte über Missstände im Amt: Mindestens 1200 Asylbescheid sollen ohne Rechtsgrundlage in der Außenstelle Bremen entschieden worden sein. Im Zentrum der Vorwürfe: die frühere Leiterin der Außenstelle, Ulrike B., und zwei Rechtsanwälte - einer davon B.s Lebensgefährte.

Es hätte ein lokaler Skandal bleiben können: Ein paar Berichte über individuelle Fehlleistungen, Beschwichtigungsreden aus der Amtsleitung und von den politisch Verantwortlichen. Das hatte schon früher gut geklappt. Denn es gab immer wieder Berichte über große und kleine Missstände. Über den Druck, der auf die Mitarbeiter ausgeübt wurde; IT-Systeme, die entweder nur unzureichend funktionierten oder gar Einfallstor für ausländische Spione sein konnten und nicht zuletzt den Fall Franco A.: Ein deutscher Bundeswehrsoldat, der als syrischer Flüchtling mit dem Namen David Benjamin anerkannt wurde.

Beispiel Par excellence

Eigentlich vereinte der Fall Franco A. so vieles, das am Bamf kritisiert wurde: Anhörer und Entscheider waren schnell geschult, das Verfahren oberflächlich und Widersprüche wurden nicht erkannt oder ignoriert. Selbst, dass das Gespräch mit Franco A. alias David Benjamin auf französisch geführt wurde, machte niemanden misstrauisch. Es war ein Beispiel Par excellence für die zahlengetrimmte Turbo-Behörde, in der Quantität längst vor Qualität ging.

Doch selbst in diesem Fall verpuffte die Aufregung bald. Statt über das Bamf und seine Fehlleistungen zu diskutieren, ging es bald nur noch um die Bundeswehr und ihr mitunter schwieriges Verhältnis zur Wehrmacht. Und im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge atmete die Leitung auf.

Nun, ein gutes Jahr später, war die Diskussion nicht so schnell abgewendet. Im Gegenteil. Denn der Bremer Fall macht zum einen sehr deutlich, wo die Probleme im Amt liegen: Quasi ohne Kontrolle konnten Asylbescheide manipuliert, erkennungsdienstliche Behandlungen einfach unter den Tisch fallen gelassen und Gesetze umgangen werden - ohne dass es schnelle und effektive Konsequenzen gehabt hätte. Schlimmer noch: auf Hinweise von Mitarbeitern reagierte das Amt zögerlich bis abweisend.

Große Anspannung

Außerdem passte der Skandal in die aktuelle politische Stimmungslage: FDP und AfD forderten bald einen Untersuchungsausschuss, Grüne und Linke sahen sich in ihrer Kritik am Bamf bestätigt und die CSU (deren Parteichef Horst Seehofer ja als Innenminister fürs Bamf verantwortlich ist) verschärfte in der Asyldebatte massiv den Ton - die Landtagswahl in Bayern im Herbst lässt grüßen. Im Bundesamt wurde all das mit größter Anspannung beobachtet - und zwar von allen Mitarbeitern. In der Personalversammlung vor einer guten Woche in der Nürnberger Meistersingerhalle ging es natürlich um Bremen - aber auch den massiven Druck, den die Leitung auf die Mitarbeiter ausübe. Wer vorgegebene Ziele nicht erfülle, werde unter Druck gesetzt, berichten Beschäftigte. Gleichzeitig sei die Amtsleitung immer mehr auf der Suche nach den Whistleblowern, die Medien über die Missstände im Amt informierten. Es herrsche ein "Klima der Angst". Nun, nachdem Jutta Cordt gehen muss, werden viele erleichtert sein.

Nun hat Horst Seehofer die Reißleine gezogen - auch um Stärke in der aktuellen Asyldiskussion zu zeigen. Die Amtsleitung wird fast komplett ausgetauscht: Jutta Cordt, die Präsidentin muss gehen, ihr Vize Ralph Tiesler wohl auch. Das Amt bereits verlassen hat Uta Dauke, sie wechselte vor Kurzem ins Innenministerium. Bleibt noch in der Leitung Rudolf Knorr, er führt den operativen Bereich - und ist aus Sicht vieler Mitarbeiter hauptverantwortlich für den Zahlendruck der letzten 18 Monate im Amt. Auch Unterlagen, die den Nürnberger Nachrichten vorliegen, zeigen wie sehr Druck aufgebaut wurde. Dabei, so sagen Mitarbeiter, sei billigend in Kauf genommen worden, dass Qualitätsstandards nicht eingehalten wurden: "Es ging und geht rein um die Masse."

Knorr hat zwar bereits die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand überschritten, aber mit Zustimmung des BMI seinen Einsatz im Bamf bis Jahresende verlängert. Nach Informationen der Nürnberger Nachrichten soll er vom BMI den Auftrag erhalten haben, schnellstmöglich die Ankerzentren aufzubauen. Wo Jutta Cordts Zukunft liegt, ist hingegen noch offen. Sie selber hatte wohl noch lange geglaubt, auch diesen Skandal an der Spitze des Amtes überstehen zu können. "Vielen Dank und bis zum nächsten Mal", verabschiedete sie sich vor einer Woche von den Journalisten in Berlin. Doch ein nächstes Mal mit ihr wird es nicht geben.

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