Cannabis im offenen Verkauf: Wird Kiffen bald legal?

9.3.2015, 12:11 Uhr
In Bayern wird der Besitz von Cannabis so hart bestraft wie nirgendwo sonst in Deutschland. Dagegen wollen Münchner Aktivisten jetzt angehen.

© Coulorbox.de In Bayern wird der Besitz von Cannabis so hart bestraft wie nirgendwo sonst in Deutschland. Dagegen wollen Münchner Aktivisten jetzt angehen.

Der schwer zu verkennende Marihuana-Geruch hing dick in der Luft des Mehrfamilienhauses. Die Polizei findet kurze Zeit später in dem Gebäude acht stramme Cannabispflanzen in einer Aufzuchtanlage – heimlich gezüchtet. Der Plantagenbesitzer wurde wegen Verstoßes nach dem Betäubungsmittelgesetz angezeigt, die Pflanzen beschlagnahmt, denn in Deutschland ist der Anbau und Konsum von Cannabis illegal.

Noch. Kiffer könnten in Zukunft aus der kriminellen Ecke herausgeholt werden. Ginge es nach dem Deutschen Hanfverband, wäre der Cannabisanbau keine Straftat gewesen. Seit Jahren setzen sie sich für die Legalisierung der Pflanze ein. Und sie erhalten Unterstützung aus der Politik, denn Grünen-Chef Cem Özdemir hat einen klaren Plan: "2017 ist Cannabis legal", sagte Grünen-Chef in einem Interview - wenn denn die Grünen in Koalitionsverhandlungen dürfen.

Lieblingsdroge der Deutschen

Kiffen ist beliebt. 90 Prozent der Drogenverfahren gehen in Deutschland auf den Konsum von Cannabis zurück. Die Polizeistatistik weist bei Jugendlichen besonders hohe Zuwachsraten von bis zu 17 Prozent aus. Gesicherte Daten zum Cannabis-Konsum in Bayern gibt es nicht. Bundesweit reichen die Schätzungen von zwei bis zu vier Millionen Konsumenten. Demnach würden in Bayern 10.000 Jugendliche, also 1,3 Prozent, regelmäßig Cannabis konsumieren. Die Zahl der erwachsenen Konsumenten wird auf 360.000 geschätzt.

In Bayern wird der Besitz von Cannabis so hart bestraft wie nirgendwo sonst in Deutschland. Dagegen wollen Münchner Aktivisten jetzt angehen. Unter dem Label "JA zu Cannabis" sammeln sie seit vergangenem Jahr Unterschriften zur Einleitung eines Volksbegehrens, das den Konsum und Anbau von Cannabis legalisieren soll. Die Initiatoren planen das Volksbegehren spätestens diesen Herbst offiziell einzureichen, damit bereits 2016 darüber abgestimmt werden kann.

Heilmittel oder harte Droge?

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml ist gegen eine Legalisierung von Cannabis und verurteilt Kiffen hart: "Das ist kein harmloses Gewächs, sondern schlichtweg eine Droge. Sie kann zu körperlichen Erkrankungen führen und der Einstieg für härtere Drogen sein." Sie warnt vor einer fortschreitenden Verharmlosung. "Cannabis kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Außerdem kann diese Droge auf die Psyche gehen, was bei Jugendlichen zu einer 'Null-Bock-Stimmung' oder zu Psychosen führen kann."


Laut der aktuellen Krankenhausstatistik wurden 2013 in Bayern 937 vollstationäre Patienten aufgrund von psychischen Verhaltensstörungen durch Cannabinoide aufgenommen. 85 Prozent der Krankenhausbehandlungen wegen psychischer Störungen und Verhaltensstörungen wurden allerdings durch legale Drogen wie Tabak, Alkohol oder pharmazeutische Produkte verursacht.

Während die Legalisierung vom Kiffen noch in ferner Zukunft scheint, soll noch in diesem Jahr Cannabis als Therapieoption schwerkranker Patienten leichter zugänglich gemacht werden.

Cannabis in der Medizin

Weniger Schmerzen, mehr Appetit, besserer Schlaf: Diese Wirkungen sind die Gründe, warum der bayerische Hersteller "Bionorica" seit Jahren mit Dronabinol, dem wichtigsten Wirkstoff der Cannabispflanze, forscht. Der wird mit einem speziellen Verfahren aus Hanfpflanzen-Extrakt gewonnen. Das dronabinolhaltige Medikament von Bionorica ist laut dem Unternehmen zur Schmerzlinderung schwerstkranker Menschen gedacht. "Studien belegen, dass der Wirkstoff Dronabinol gegen Erbrechen bei Chemotherapie helfen kann, den Appetit anregende, schmerzlindernde und muskelentspannende Eigenschaften hat.  Patienten profitieren von ihm symptomatisch unter anderem bei Nebenwirkungen von Krebs, Aids, Multipler Sklerose und bei neuropathischen Schmerzen", erklärt Bionorica.

Forscher betonen, dass Dronabinol nicht mit Kiffen zu vergleichen ist: "Die gefürchteten psychogenen Wirkungen mit Missbrauch, Einschränkung kognitiver Fähigkeiten und Entzug beim Absetzen treten, ausgenommen von Einzelfällen, weit jenseits der therapeutischen Dosierungen auf", sagt Prof. Dr. Thomas Herdegen, Leiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Bisher darf nur der Apotheker mit dronabinolhaltigen Medikamenten arbeiten. Bionorica erstellt lediglich ein Präparat mit 250mg Dronabinol in einer Spritze, das der jeweilige Apotheker für den Patienten individuell mischen muss. Das soll jetzt anders werden.

Bionorica will Fertigarzneimittel anbieten

Das Unternehmen aus Neumarkt ist bisher eines von bundesweit zwei Anbietern, die Medikamente aus Dronabinol herstellen. Im Februar hat es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Zulassungsdossier für ein Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis eingereicht.

Wird das Fertigpräparat in Kapselform zugelassen, so das Unternehmen, können maschinell und in größerer Menge Arzneimittel mit Dronabinol hergestellt und mehr Patienten damit versorgt werden.

Die Krankenkasse soll zahlen

Bisher übernehmen die Krankenkassen nur in Ausnahmefällen die Kosten für das cannabishaltige Rezepturarzneimittel. Die schwerkranken Patienten müssen meist mehrere hundert Euro für das Medikament beim Apotheker zahlen.

Auch das soll sich bald ändern. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe haben angekündigt, die rechtlichen Bedingungen für eine Versorgung Schwerkranker mit Medizinalhanf zu überarbeiten. "Mein Ziel ist, dass in Zukunft mehr Menschen als bisher Cannabis als Medizin bekommen können", sagt die CSU-Politikerin. Das Gesetz solle noch dieses Jahr durch den Bundestag gebracht werden und 2016 greifen.


 

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