Deutsche Politiker skeptisch nach NSA-Spähaktion

2.7.2015, 12:04 Uhr
Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Opfer der NSA-Spionage.

© dpa Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Opfer der NSA-Spionage.

Nach neuen Enthüllungen über Spähaktionen des US-Geheimdiensts NSA macht sich bei deutschen Politikern immer mehr Misstrauen breit. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburg (CDU), nimmt an, dass neben der National Security Agency (NSA) auch Dienste anderer Länder die Bundesregierung ausspähen.

Er gehe davon aus, dass die NSA-Ausspähungen «direkte Spionage war, bis 2012 zumindest», sagte Sensburg am Donnerstag im «Morgenmagazin» der ARD. Das heißt, dass seiner Ansicht nach der deutsche Bundesnachrichtendienst nicht beteiligt war. «Wir müssen prüfen, ob dies immer noch stattfindet, und wir müssen davon ausgehen, dass andere Länder Vergleichbares bei uns machen», sagte Sensburg.

"Wir sind misstrauischer geworden"

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte ebenfalls in der ARD, er wolle die neuen Informationen überprüfen. «Wir sind misstrauischer geworden. Über Jahrzehnte waren auch westliche Geheimdienste nicht Gegenstand der Spionageabwehr.» Im Lichte der Veröffentlichungen des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden und von Wikileaks habe sich das geändert. «Mit Beginn dieser Legislaturperiode werden auch westliche Nachrichtendienste daraufhin überprüft, ob sie hier Spionage betreiben», sagte de Maizière.

Weit mehr Spionageziele, als angenommen

Die NSA hat nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks nicht nur - wie schon länger bekannt - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgespäht, sondern weite Teile der Regierung. Aus den Unterlagen gehe hervor, das sich die NSA vor allem für die deutsche Währungs- und Handelspolitik interessiert habe, berichteten «Süddeutsche Zeitung» (Donnerstag), NDR und WDR. Zu den Spionagezielen gehörten demnach nicht nur das Wirtschafts-, sondern auch das Finanz- sowie das Landwirtschaftsministerium.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel äußerte sich gelassen. «Man bekommt ein ironisches Verhältnis dazu», sagte der SPD-Chef im ARD-«Morgenmagazin». «Wir machen nichts in Ministerien per Telefon, was man abhören müsste.» Viel brisanter sei die Frage, ob die NSA auch die deutsche Wirtschaft ausgespäht habe. «Mein Ministerium ist mit zuständig dafür, Unternehmen zu schützen vor Wirtschaftsspionage, und das finde ich das problematischere Thema.»

Überwachungsliste mit 69 Telefonnummern

In den NSA-Unterlagen findet sich den Berichten zufolge eine Überwachungsliste mit 69 Telefonnummern. Dabei soll es sich um in der Vergangenheit überwachte Anschlüsse wie auch um aktuelle Anschlüsse handeln. Die Überwachung reiche bis in die 90er Jahre zurück.

Die Wikileaks-Dokumente enthielten auch ein Abhörprotokoll eines Telefonats, in dem sich Merkel am 11. Oktober 2011 zu den damaligen Entwicklungen in Griechenland äußerte. «Die deutsche Kanzlerin Merkel erklärte, sie sei ratlos», heißt es den Berichten zufolge in dem Protokoll. Merkel sagte demnach, sie befürchte, dass selbst ein zusätzlicher Schuldenschnitt die Probleme nicht lösen könne, da Athen nicht in der Lage sei, mit verbleibenden Schulden zurechtzukommen.

Ein Regierungssprecher sagte laut «Süddeutscher Zeitung»: «Ohne nähere Kenntnis des zugrundeliegenden Sachverhalts ist der Bundesregierung eine Bewertung derzeit nicht möglich.»

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