Die Aufsteigbaren sorgen für große Gefühle

30.4.2012, 07:50 Uhr
Die Aufsteigbaren sorgen für große Gefühle

© Daniel Karmann (dpa)

Sie alle in Fürth, die nach dem Abpfiff im letzten Zweitliga-Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf (1:1) den Rasen stürmten und ihre Helden herzten und bejubelten, durften sich neben dem größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte vor allem über die Wiederkehr der großen Gefühle freuen. Fürth ist jetzt wieder wer, diese graue Maus, die in den zurückliegenden Jahrzehnten so stark unter den Insolvenzen der ehemaligen Wirtschaftsgroßmächte Grundig und Quelle zu leiden hatte, spielt künftig in einer Liga mit all den Großen der Branche. Bayern München, Dortmund, Schalke und jetzt Fürth. Mittendrin.

Eigentlich unglaublich diese Erfolgsstory. Fast kitschig — nur dieses Märchen vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, trifft die Relationen nicht mal im Ansatz. Und auch das ist Fürth, diese Entwicklung vom maroden Amateurverein, der seine besten Zeiten weit hinter sich hatte und der sich mit einem aufstrebenden Jüngling wie dem damaligen Bayern-Pokalschreck Vestenbergsgreuth zusammenschließen musste, um eine wie auch immer geartete Zukunft zu haben. Eineinhalb Jahrzehnte lang haben sie dafür gearbeitet, nicht nur dabei zu sein, sondern dazuzugehören: zu diesem Kreis jener Mannschaften, über die man spricht, im Büro, am Stammtisch und beim Schlendern entlang der Marktstände auf der Fürther Freiheit.

Derartige Gefühle, wie sie die Fans und immer zahlreicher werdenden Anhänger dieser Spielvereinigung nun spüren dürfen, sind oft schwer greifbar, geschweige denn in Worte zu fassen. Zur offiziellen Aufstiegssause vor dem Rathaus warf sich eine ganze Stadt in Schale. Überall weiß-grüne Fahnen, Bäcker offerieren süße Kleeblätter, Metzger wollen mit einer Stadtwurst in Vereinsfarben ebenfalls ihren Erfindungsreichtum beweisen, und der eigens auf den Markt geworfene Aufstiegstee soll bei Sammlern inzwischen hohen Stellenwert genießen.

Eine ganze Stadt feiert, vor allem ihre Fußballer, aber auch ein bisschen sich selbst. „In 43 Jahren habe ich so etwas noch nicht erlebt“, skizzierte Fürths Kult-Komödiant und Edelfan Volker Heißmann die dieser Tage vorherrschende weiß-grüne Gefühlswelt: der Aufstieg als Genugtuung für jeden einzelnen Bürger einer Stadt mit einem schier übermächtigen Konkurrenten. „Das tut schon gut, wenn man aus dem Schatten der Nachbarstadt heraustreten kann“, spielte Heißmann auf die Rivalität zu Nürnberg und zum Club an — jetzt ist man wieder wer als Fürther: „Unser Selbstvertrauen ist jetzt riesengroß.“ Seitdem feststeht, dass den Unaufsteigbaren der Aufstieg tatsächlich nicht mehr zu nehmen ist, leben Unterdrückte auf, sie erheben sich und schwadronieren visionär bei einem Bierchen zu viel schon mal von einer fußballerischen Revolution — Aufbruchstimmung allenthalben in einer Stadt, die niemals Unterstützung von oben hatte.

„Uns wurde nie etwas geschenkt, wir hatten nie einen König oder Bischof in der Stadt, der Geschenke machte. Und so war es auch mit dem Aufstieg“, zeigte Oberbürgermeister Thomas Jung bei seiner umjubelten Ansprache vom Rathausbalkon aus die Parallelen zur sportlichen Gegenwart auf. Auch die klamme Stadt konnte der Spielvereinigung nicht wirklich helfen. Umso höher ist der Aufstieg zu bewerten. Hier erwarb kein Scheich die Mehrheitsrechte an einer Fußball-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hier verteilte kein Investor goldene Löffel. Der Aufstieg ist das Werk vieler Menschen, die angeschoben von der Überzeugungskraft des Präsidenten Helmut Hack und Trainer Mike Büskens alle an ein Ziel glaubten, diesem alles unterordneten und keinerlei Zweifel an ihren Vorhaben zuließen. So etwas schweißt zusammen. Die Fürther sind jetzt eine Fußballfamilie. Noch klein zwar, zugegeben, aber voller Herz und Leidenschaft, diesem Wort, das so viele verwenden, aber nur die wenigsten wirklich mit Leben ausfüllen. Fürth schafft das. „Wen interessiert es noch, wenn Städte wie Köln oder Frankfurt immer wieder auf- und absteigen? Hier in Fürth aber gibt es etwas zu bewundern“, beschrieb Jung das Alleinstellungsmerkmal eines Familienvereins im Haifischbecken Bundesliga.

Studien verschiedener Wirtschaftstheoretiker zufolge spült so ein Aufstieg in die Bundesliga auch noch Millionen in die Kassen einer Stadt, vom Werbewert über die Grenzen Deutschlands hinaus ganz zu schweigen. Von diesem großen Kuchen darf sich jeder ein Stückchen abschneiden. Der wirklich wichtigste Aspekt aber betrifft jeden einzelnen der Zigtausend Menschen, die gestern den Autokorso begleiteten und vor dem Fürther Rathaus feierten: Bei diesem Verein entsteht etwas, an dem jeder teilhaben kann. Die Zukunft steht Fürth offen.

 

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