Erzbischof Schick über Asyl, Pegida und Hass im Internet

7.3.2016, 06:00 Uhr
"Wenn Menschenverachtung, Rassismus und Hetze verbreitet werden, wenn Menschen kategorisiert werden, dann ist das nicht christlich", kritisiert Ludwig Schick die Pegida-Bewegung.

© dpa "Wenn Menschenverachtung, Rassismus und Hetze verbreitet werden, wenn Menschen kategorisiert werden, dann ist das nicht christlich", kritisiert Ludwig Schick die Pegida-Bewegung.

Herr Erzbischof, ein Satz von Papst Franziskus zur Flüchtlingskrise sorgt derzeit mit einer gewissen Verzögerung für Schlagzeilen. "Wir können heute von einer arabischen Invasion reden. Das ist eine soziale Tatsache", zitiert ihn die Vatikanzeitung Osservatore Romano. Sehen Sie das auch so?

Erzbischof Ludwig Schick: Ich spreche lieber von den Menschen, die zu uns kommen, und vermeide Begriffe wie Flüchtlingskrise oder Flüchtlingsflut - sonst werden wir den Menschen nicht gerecht. Natürlich kommen viele aus dem arabischen Raum; aber der ist nicht so geschlossen, wie das im ersten Moment aussieht. Dort gibt es sehr unterschiedliche Religionen, Parteien oder auch Ethnien. Von dort kommen Flüchtlinge, mit jedem Einzelnen muss man umgehen.

Der Papst hat angefügt, dass daraus neue Chancen entstehen. Wir erleben jetzt aber die hässlichen Bilder der Fluchtbewegung: Staus, Zurückweisungen, weinende Kinder, auch Polizeigewalt. Heiligt der Zweck die Mittel, um die Zahlen zu verringern?

Schick: Viele Bilder bedrücken mich sehr. Dennoch ist sicher klar, dass wir nicht alle, die zu uns kommen, aufnehmen können und auch nicht müssen. Ich plädiere dafür, sich streng an Recht und Gesetz zu halten. Wir haben das Grundgesetz, das politisch Verfolgten Asyl zugesteht. Wir haben die Genfer Konvention, nach der Kriegsflüchtlinge Schutz erhalten. Die Europäische Union hat Regeln beschlossen zur Verteilung. In den Herkunftsländern müssen wir klarmachen, dass nicht jeder Asyl erhalten wird. Wenn die Menschen aber da sind, müssen wir sie nach Recht und in christlicher Liebe behandeln. Dazu gehört auch die Rückführung, wenn sie keine Berechtigung für Asyl haben. Die Rückführung müsste in diesen Fällen viel schneller gehen. Wenn wir uns an all das halten, dann stimme ich dem Satz der Kanzlerin zu: Wir schaffen das.

Wie erleben Sie in den Gemeinden die Sorgen und Ängste vor der Zuwanderung?

Schick: Von rechten Gruppen erhalte ich heftige Kritik, bis hin zu Todesdrohungen. Aus kirchlichen Kreisen dagegen bekomme ich viel Zustimmung, vielleicht auch, weil ich mich von Anfang an differenziert geäußert und klar gesagt habe, dass nicht alle, die derzeit kommen, ein Bleiberecht erhalten werden. Am meisten freut mich aber, dass sehr viele Katholiken in ihren Gemeinden ehrenamtliche Hilfe leisten. Für dieses Zeugnis christlichen Geistes bin ich sehr dankbar.

Sie haben sich sehr früh von Pegida abgegrenzt und gesagt, Christen dürfen hier nicht mitmarschieren. Wie sind heute die Reaktionen?

Schick: Ich war einer der Ersten, der das gesagt hat. Wenn Menschenverachtung, Rassismus und Hetze verbreitet werden, wenn Menschen kategorisiert werden, dann ist das nicht christlich. Wenn ich das wiederhole, dann bekommen ich auch heute noch böse Mails.

Wie steht es mit der AfD?

Schick: Bei der NPD wird jetzt geprüft, ob sie in unserer Demokratie Platz hat. Das wird man bei der AfD vielleicht auch einmal tun müssen. Jetzt aber sollten wir im Dialog mit ihr deutlich machen, was unsere demokratischen und christlichen Positionen sind, was geht und was nicht. Dabei braucht es Klarheit in der Auseinandersetzung. Ausgrenzung hilft hier nicht weiter.

Vieles von dem Hass und der Wut, die sich in der Flüchtlingskrise zeigen, stammt aus sozialen Netzwerken. Sie sind bei Twitter und Facebook - fühlen Sie sich wohl inmitten dieser Flut der Dumpfheit?

Schick: Ein Faktor ist die Anonymität im Internet. Das nutzen manche, um verbal über die Stränge zu schlagen. Der andere Faktor ist die Individualisierung in unserer Gesellschaft, die durch die Medien gefördert wird; sie ist immer auch mit Angst verbunden. Wir müssen die realen sozialen Netzwerke, die Begegnung von Du zu Du, mehr fördern. So werden Ängste abgebaut. Den Gemeinsinn müssen wir wieder erwerben, sonst wird es schwierig. Das erfordert Geduld und Zeit. Sich aus dem Netz zurückziehen bringt nichts. Aber das Netz ist sinnvoll und verantworlich zu nutzen. Im Internet müssen auch die zehn Gebote gelten, zum Beispiel, Du sollst nicht lügen, kein falsches Zeugnis geben oder Du sollst nicht töten, auch nicht sozial.

Der Papst wird wahrscheinlich als Ergebnis der Familiensynode auch wiederverheirateten Geschiedenen die Teilnahme an der Kommunion ermöglichen. Wie soll das aussehen?

Schick: Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, was der Papst tatsächlich sagt. Sicher werden nicht alle, die geschieden und wieder verheiratet sind, generell zur Kommunion zugelassen. Aber es wird erwogen, ob es Lösungen in Einzelfällen mit Gewissensentscheidung geben kann. Bereits jetzt werden in unseren Diözesen vor Ort, für die, die wirklich am kirchlichen Leben interessiert sind, gute Lösungen gefunden.

Warum tut sich die katholische Kirche hier so schwer?

Schick: Wir tun uns zu recht schwer, wenn Versprechen vor Gottes Angesicht aufgegeben werden. Es geht um Werte wie Treue, Verlässlichkeit, Fürsorge, Liebe, wenn sie fehlen, trifft es Kinder meist besonders hart. Man muss aber mit diesen Menschen seelsorglich gut umgehen, dann wird man eine Lösung finden. Eine Ehe kann unter bestimmten Umständen annulliert werden. Wenn das nicht geht, finden Betroffene mit einem guten Seelsorger einen anderen Weg.

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