Facebook und die Weltherrschaft

18.5.2012, 12:00 Uhr
Mark Zuckerbergs Facebook bricht alle Rekorde: Das soziale Netzwerk stemmt den größten Börsengang eines Internetunternehmens aller Zeiten.

© dapd Mark Zuckerbergs Facebook bricht alle Rekorde: Das soziale Netzwerk stemmt den größten Börsengang eines Internetunternehmens aller Zeiten.

Und wenn am Freitag sein vor acht Jahren in einer Harvard-Studentenbude gegründetes Unternehmen erstmals an der Börse gehandelt und mit einem geschätzten Wert von rund 100 Milliarden Dollar zahlreiche amerikanische Traditionsfirmen in den Schatten stellen wird, schwebt über dem großen Zahltag für Zuckerberg und andere private Anteilseigner vor allem eine Frage: Wird der unkonventionelle Jung-Manager in der Lage sein, diesen digitalen Koloss in eine weiter von Erfolg und Wachstum geprägte Zukunft zu führen? "Einen ausgezeichneten Instinkt" attestierte ihm kürzlich die "New York Times", als sie feststellte: Alle anderen sozialen Netzwerke, darunter auch das hoffnungsvoll gestartete "Myspace", sind heutzutage weitgehend bedeutungslos - während Facebook sich der Eine-Milliarde-Nutzer-Marke nähert. Wer beurteilen will, wo die Grenzen des des mittlerweile von einem Achtel der Weltbevölkerung genutzten Portals liegen, kommt am Blick auf die Philosophie Mark Zuckerbergs nicht vorbei.

Das Magazin "New Yorker" beschreibt sein in simple Regeln eingebettetes Erfolgsgeheimnis in aller Kürze so: "Von Anfang an wusste er, wie man Facebook cool und einfach nutzbar macht." Er überlud die Seite nicht mit so vielen Anwendungen und Anzeigen, dass es die Nutzer verwirrte - und er legte großen Wert auf die von manchen Konkurrenten vernachlässigte "Uptime". Jene Zeit, die die Seite den Kunden ohne Serverprobleme und Systempannen zur Verfügung steht.

Hinzu kommt die ureigene Arroganz von Zuckerberg, die sich auch in Details wie einer Visitenkarte nieder schlug, die die Auftschrift trug: " I´m CEO, bitch". "Ich bin der Chef, Schlampe" - nicht gerade ein Zeichen besonderer Wertschätzung. Diese Karte gehört mittlerweile der Vergangenheit an, denn Zuckerberg hat das geschafft, was ein enger Mitarbeiter so beschreibt: "Er hat eine Weltfirma geschaffen, und er ist dabei erwachsen geworden." Dabei scheint er auch seine persönlichen Grenzen erkannt zu haben: Während "Zuck" - so der Facebook-Jargon für den Boss - seine Stärken im Produktdesign und der Strategie sieht, mag er weniger das Tagesmanagement eines Konzerns, der in seiner Bewertung  auch den Fastfood-Riesen McDonalds in den Schatten stellt.

Deshalb verpflichtete er für diese Aufgabe die 42-jährige Cheryl Sandberg, die sich gleichzeitig zur persönlichen Mentorin entwickelt hat und ihm Tipps für den Alltagsumgang mit den Mitarbeitern des Großunternehmens gibt. Diese kennen ihn seit der Facebook-Gründung auch als erbarmungslosen Vorgesetzten. "Wenn etwas nicht klappt", zitiert die "New York Times" einen früheren Angestellten, "kommt er solange auf das Thema zurück, bis die Lösung da ist."

Ein Monster-Netz an digitalen Verbindungen

Das ist ein Charakterzug, den er auch in Zukunft dringend benötigen wird. Denn von Freitag an wird die Arbeit Zuckerbergs, der mehr als die Hälfte der Stimmrechte halten wird, jeden Tag aufs neue vor allem durch die Börse bewertet werden - und die kann gnadenlos sein, wenn kleinste Zweifel am Management aufkommen. "Jeder, der eine Aktie kauft, glaubt auch, dass der Firmenchef einen guten Weg nach vorne findet," sagt Reid Hoffman, Mitbegründer von LinkedIn und ein Berater von Mark Zuckerberg. Und fügt hinzu: "Zuckerberg hat bisher gute Wege gefunden".

Als Cheryl Sandberg kam, hatte Facebook rund 50 Millionen Mitglieder. Jetzt sind es über 900 Millionen aktive Nutzer.

Als Cheryl Sandberg kam, hatte Facebook rund 50 Millionen Mitglieder. Jetzt sind es über 900 Millionen aktive Nutzer. © Ian Langsdon (dpa)

Der Weg nach vorn - das wird vor allem die Antwort auf die Frage sein, wie Facebook den immensen Schatz auswertet, der bisher angesammelt wurde. Denn der Wert des Unternehmens definiert sich vor allem durch die Masse an Nutzerdaten, die das weltweit größte soziale Netzwerk ansammelt. Von 50 Millionen "Freunden" im Jahr 2007 stieg deren Zahl auf mittlerweile rund 900 Millionen - und dies auf einer globalen Plattform mit Dreiviertel aller Nutzer außerhalb der USA.

Die Nutzer offenbaren gegenüber dem Unternehmen nicht nur ihre realen Namen und Heimatorte, sondern auch die Details ihrer Familie und Freunde - und ihrer persönlichen Vorlieben im Alltag. Deshalb kann Facebook auch seinen Werbekunden einen enormen Berg an Informationen bieten, aus denen diese sich ihre  Zielgruppen herauspicken. Und der "Connect"-Service erlaubt es den Mitgliedern der Facebook-Familie, auf zahllose andere Webseiten mit dem Facebook-Nutzernamen und Password einzuloggen - was wiederum Facebook hilft, noch mehr Daten über die Gewohnheiten der Nutzer zu sammeln.

"Ein Monster-Netz an digitalen Verbindungen" bezeichnete deshalb auch die "New York Times" die Lebensgrundlage von Facebook - und weist gleichzeitig auf die in den letzten Jahren gestiegenen Bedenken hin, was den Schutz der Privatsphäre der Nutzer angeht. Wie dieses Monster nun weiter agiert und ob es zahm oder aggressiv auftritt, wird vor allem in den Händen eines 28-Jährigen liegen, der seinen Puli-Rassehund "Biest" genannt hat und zur Ablenkung mit Freunden am liebsten Rollschuh-Hockey spielt. An harte Bandagen hat sich Mark Zuckerberg also längst gewöhnt.

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