Geschwätzige Deichgrafen

28.5.2010, 00:00 Uhr

Der Meister aller Deichgrafen ist aber Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Gestern besuchte er - wie immer salopp gekleidet und mit Dreitagebart - zum dritten Mal seit 1997 die brandenburgischen Deiche. Drei teils katastrophal endende Hochwasser innerhalb von 13 Jahren - eine Zahl, die verdeutlicht, dass die Hochwassergesetzgebung zwar schöne Fototermine für Politiker bietet, aber keinen Schutz für die Anwohner in Zeiten des Klimawandels.

Im Gegenteil: Sollte Brandenburg nach der Oder-Flut von 1997 und dem Elbe-Hochwasser von 2002 diesmal glimpflich davonkommen, dürfte das vor allem daran gelegen haben, dass die Scheitelwellen von Oder und Warthe nicht zeitgleich eintrafen. Wäre dies der Fall gewesen, hätten wohl auch die erneuerten Deiche in Brandenburg den Wassermassen nicht standgehalten.

Zu wenig investiert

Was passiert, wenn man zu wenig in Dämme investiert, lässt sich in Polen besichtigen. Dort gaben die altersschwachen Wälle nach, Todesopfer und völlig zerstörte Dörfer waren zu beklagen. Und dennoch greift der stolze Hinweis der Brandenburger, man habe seit dem Hochwasser von 1997 rund 90 Prozent der Oder-Deiche saniert, zu kurz.

Denn der deutsche Hochwasserschutz setzt fast ausschließlich auf technische Maßnahmen. Deiche werden erhöht und verbreitert, im besten Fall werden Polder, also künstliche Auffangbecken, gebaut. Damit wird das Problem aber nur an die Unterlieger entlang des Flusses weitergereicht - und zwar massiver, als dies ohne Deiche der Fall wäre. Wir stauen mit immer größeren Dämmen unsere Flüsse nur in die Höhe und machen sie immer schneller - wo sie doch vor allem Breite und die Möglichkeit für langsames Abfließen und Versickern bräuchten.

Zersiedelte Landschaften

An Lippenbekenntnissen derer, die sich als Deichgrafen in Szene setzen, hat es bei keinem Hochwasser gefehlt. Viel war und ist dann die Rede davon, dass die Flüsse wieder mehr Raum bekommen, Auen zur Aufnahme der Hochwasser geschaffen und die Deiche zurückgebaut werden sollen. Meistens passiert dann aber das genaue Gegenteil: Mit immer neuen Ausnahmegenehmigungen wird die Zersiedelung und die intensive Landwirtschaft in den Flusslandschaften noch vorangetrieben, statt sie zu unterbinden.

Schon 2005 mokierte sich der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), dass der versprochene »Kurswechsel hin zu einem ökologischen Hochwasserschutz weiter aussteht«. Stattdessen werde »eine riskante und kostspielige Deich- und Dammbaupolitik weitergeführt«. Auch an der Oder, wo nach Berechnungen des BUND von den versprochenen 6000 Hektar natürlichen Rückhalteflächen nur fünf Prozent realisiert wurden.

Über diese Versäumnisse sollten die Deichgrafen sprechen und endlich für einen Hochwasserschutz sorgen, der das Problem nicht einfach nur flussabwärts verlagert. Aber bitte im Parlament und nicht auf den Deichen.