Gesichtserkennung: Testlauf für die Terroristensuche

1.8.2017, 13:07 Uhr
Am Berliner Bahnhof Südkreuz wird ab Dienstag ein halbes Jahr lang ausprobiert, ob die neueste Software zur Gesichtserkennung wirklich Einzelne aus der Masse herausfiltern kann. (Symbolbild)

© Paul Zinken/dpa Am Berliner Bahnhof Südkreuz wird ab Dienstag ein halbes Jahr lang ausprobiert, ob die neueste Software zur Gesichtserkennung wirklich Einzelne aus der Masse herausfiltern kann. (Symbolbild)

Die Sache fing schon im Juni an. Da fragte die Bundespolizei öffentlich, wer denn bereit sei, sich als Testperson zur Verfügung zu stellen. Einzige Voraussetzung: Man müsse öfter mal am Bahnhof Südkreuz zu tun haben, zum Beispiel als Pendler.

Anfangs gab es wohl noch Befürchtungen, es könnten zu wenige Menschen mitmachen. Deswegen wurden als Belohnung für die Teilnahme Einkaufsgutscheine ausgelobt. Doch am Ende meldeten sich über 300 Freiwillige. Ob es nur die Gutscheine waren? Auf jeden Fall könnten die Versuchspersonen in die Geschichte der deutschen Videoüberwachung eingehen.

Zunächst wurden ihre Gesichter eingescannt. Dann erhielten sie noch einen kleinen Sender, den sie mitnehmen müssen, wenn sie den Bahnhof betreten. Und nun wird die Frage sein, wie viele von ihnen die Software erkennt – und zwar auch dann, wenn sie gerade einen Hut aufhaben oder zu Boden schauen. Der mitgeführte Sender verrät, wann und wie oft die Versuchspersonen am Südkreuz waren.

Das Gemeinschaftsprojekt wird von der Deutschen Bahn, dem Innenministerium und dem Bundeskriminalamt betrieben. Deren gemeinsames Ziel ist klar: Sie wollen eines Tages in der Lage sein, einen gesuchten Terroristen zu finden, der vielleicht gerade dabei ist, einen Anschlag zu planen. Minister Thomas de Maizière ist die Sache dermaßen wichtig, dass er noch im August vorbeikommen und sich über die ersten Ergebnisse informieren lassen will.

Und es geht nicht nur um die Gesichtserkennung. Die Software soll auch Alarm schlagen, wenn ein Gegenstand (etwa ein Koffer) ungewöhnlich lange herumsteht und nicht bewegt wird. In dem Fall könnte es sich um eine Bombe handeln. Auch wenn jemand eine Strecke immer wieder auf und ab geht, wird gewarnt. Es könnte ja ein Taschendieb auf der Suche nach Opfern sein.

Datenschützer sind alarmiert

Die Datenschützer auf Landes- und Bundesebene blicken mit großen Sorgen auf das Projekt. Andrea Voßhoff (Bund) erkennt zwar vorerst noch keinen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, weil nur Freiwillige mitmachen. Die übrigen Bahnhofsbesucher werden mit Schildern auf die Überwachungszonen hingewiesen und können drum herumgehen. Voßhoff sagt aber auch: "Sollten derartige Systeme später einmal in den Echtbetrieb gehen, wäre dies ein erheblicher Grundrechtseingriff." Maja Smoltczyk (Berlin) fürchtet, die neue Technik könne "die Freiheit, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, gänzlich zerstören".

Zunächst ist aber wichtig, ob die Software überhaupt zuverlässig funktioniert. Kleinere frühere Versuche waren nicht immer erfolgreich. Einzelne Gesichter aus der Masse herauszufiltern ist derzeit noch schwierig. Allzu viele Fehlmeldungen kann sich das System auch nicht erlauben, denn das würde ja im echten Leben immer einen Polizeieinsatz nach sich ziehen.

Die Berliner blicken jedenfalls gespannt auf den Test im Bahnhof Südkreuz, der einer der wichtigsten Berliner Verkehrsknotenpunkte ist. Hier gehen täglich 160 000 Reisende aus und ein. Von Dienstag an eben auch rund 300 verdächtige Personen.

An den Teilnehmern wird der Feldversuch nicht scheitern. Sie haben alle versprochen, oft genug den Bahnhof zu passieren. Es sei gelungen, "einen Querschnitt der Bevölkerung zu bekommen", freut sich Polizeisprecher Matthias Lehmann. Denn Attentäter sind zwar oft, aber nicht nur, junge Männer.

Bei der Mehrzahl der Bürger hat die Videoüberwachung einen guten Ruf, seit gleich mehrfach Treppenschubser und Gewalttäter in der U-Bahn aufgrund der Aufzeichnungen ermittelt werden konnten. Der populäre Ex-Bürgermeister von Neukölln, Horst Buschkowsky, ist sogar Mitgründer eines "Bürgerbündnisses für mehr Videoaufklärung und mehr Datenschutz". Er sagte, lieber lasse er sich filmen als verprügeln.

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