Kehrtwende im Fall Khashoggi: Journalist mit Vorsatz getötet

25.10.2018, 19:31 Uhr
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi war zunächst verschwunden, dann wurden nach und nach immer mehr Details über seinen Tod bekannt.

© Hasan Jamali/dpa Der saudische Journalist Jamal Khashoggi war zunächst verschwunden, dann wurden nach und nach immer mehr Details über seinen Tod bekannt.

Saudi-Arabien hat in der Affäre um den gewaltsamen Tod des Journalisten Jamal Khashoggi erneut eine Kehrtwende vollzogen und eine Absicht bei der Tat eingeräumt. Die Verdächtigen in dem Fall hätten mit Vorsatz gehandelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Königreichs am Donnerstag mit, wie die staatliche Agentur Spa meldete. Das legten Informationen nahe, die von den türkischen Ermittlern stammten.

Aussagen voller Widersprüche 

Mit dieser neuen Version versucht Saudi-Arabien, den massiven internationalen Druck auf das Land zu verringern. Der regierungskritische Journalist Khashoggi war Anfang Oktober in das Istanbuler Konsulat des Königreichs gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Danach verschwand er. Saudi-Arabien behauptete zunächst, nichts über Khashoggis Verbleib zu wissen. Nach massivem internationalen Druck räumte Riad dann ein, er sei im Konsulat versehentlich bei einer Schlägerei getötet worden. Die Behörden nahmen 18 saudische Verdächtige fest. Allerdings gab es an dieser Version international massive Zweifel.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach in dieser Woche von einem "brutalen Mord". Medien berichteten fast täglich unter Berufung auf türkische Ermittler über Einzelheiten der Tat, die der saudischen Erklärung widersprachen. US-Präsident Donald Trump sagte, die Tötung Khashoggis sei dilettantisch verschleiert worden. Weitere Einzelheiten teilte die saudische Staatsanwaltschaft zunächst nicht mit, etwa wie Khashoggi getötet wurde.

Saudischer Thronfolger in die Affäre verstrickt?

Unbekannt ist auch weiterhin, was mit der Leiche des Opfers geschehen ist. Im Zuge der türkischen Ermittlungen verhörte die Istanbuler Staatsanwaltschaft bisher 38 Konsulatsmitarbeiter. Die Zeugen seien unter anderem gefragt worden, ob sie Khashoggi und einen der 15 mutmaßlichen Täter gesehen hätten, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Mehrere Spuren legen den Schluss nahe, dass auch Personen aus dem näheren Umfeld des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in den Fall verwickelt sind. Saudi-Arabien weist eine Verstrickung des Thronfolgers in die Affäre zurück.

Der 33-Jährige hatte die Tat am Mittwoch bei einer Investorenkonferenz in Riad als "abscheulichen Vorfall" verurteilt, der nicht zu rechtfertigen sei. Der Kronprinz leitete am Donnerstag die erste Sitzung eines Ausschusses, der jetzt die Strukturen des saudischen Sicherheitsapparates reformieren soll.

Audioaufnahmen zugespielt

Die türkische Regierung spielte zugleich CIA-Direktorin Gina Haspel während ihres Türkei-Besuchs Medien zufolge die Audioaufnahmen der Tötung Khashoggis vor. Das berichtete die Washington Post unter Berufung auf nicht genannte Quellen. Eine mit dem Band vertraute Person erklärte demnach, es sei überzeugend und könnte den Druck auf die USA erhöhen, Saudi-Arabien für den Tod Khashoggis zur Rechenschaft zu ziehen. Das Weiße Haus pflegt enge Verbindungen zu dem Land und sieht es als wichtigen Partner in der Region.

Haspel war am Dienstag in der Türkei angekommen, nach wachsenden Zweifeln in der US-Regierung an den Unschuldsbeteuerungen des saudischen Königshauses. Die Türkei hatte die angeblichen Aufnahmen bisher streng geheim gehalten.

Von Spezialkommando gefoltert

Wochenlang hatten türkische Regierungsmitarbeiter anonym fast täglich neue Details aus den angeblichen Aufnahmen an türkische und US-Medien weitergegeben. Demnach war Khashoggi von einem 15-köpfigen, eigens für die Tat aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando gefoltert und ermordet worden. Die Bänder selbst machte die türkische Regierung jedoch nicht öffentlich. Es blieb auch unklar, wie sie die Aufnahmen bekommen haben könnte. Regelmäßig taucht die Vermutung auf, dass die Türkei das Konsulat mit Abhörgeräten ausspioniert hat.

Das EU-Parlament forderte einen europaweiten Waffen-Exportstopp nach Saudi-Arabien. Die Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten sollten einen gemeinsamen Standpunkt finden, heißt es in einer Entschließung. Die Abgeordneten stellen fest, dass die Tat wahrscheinlich nicht ohne das Wissen des Kronprinzen begangen wurde. Deutschland hat vorerst alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gestoppt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bekräftigte die Drohung seines Landes mit internationalen Sanktionen gegen die Schuldigen.

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