Kirche und CSU: Auch aus Fürth kommt heftige Kritik

11.10.2016, 06:00 Uhr
Kirche und CSU: Auch aus Fürth kommt heftige Kritik

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Den könnte die CSU gerade gut gebrauchen, trotzdem musste sie dieser Tage bei der Party zum 70. Geburtstag des Kreisverbands Fürth ohne den katholischen Dekan André Hermany feiern. Der 59-Jährige war nicht etwa unpässlich, sondern ihm war nicht nach Feiern zumute. Zumindest nicht mit der CSU.

Dekan Hermany ist seit längerem stinksauer über das, was vom Führungspersonal der bayerischen Regierungspartei immer wieder im Zusammenhang mit dem großen Thema Flüchtlinge zu hören ist. „Damit bin ich nicht einverstanden. Das ärgert mich“, schimpft der katholische Geistliche. „Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und im jüngsten Flüchtlingspapier der CSU geht es nur um Zahlen, um Geld, um Abschottung. Man will einfach seine Ruhe haben.“ Mit dem christlichen Menschenbild und dem von Lukas formulierten Gebot „Gib jedem, der dich bittet“ habe das nichts mehr zu tun.

Angriffslustiger Söder

Bei der Feier der Christsozialen in der Fürther Stadthalle hätte André Hermany nicht darauf hoffen dürfen, dass der Hauptredner Worte der Rückbesinnung auf die christliche Botschaft an die Versammlung richtet. Die Festrede hielt Finanzminister und CSU-Bezirkschef Markus Söder. Der betont zwar oft seine tiefe Gläubigkeit öffentlich und ist Mitglied der Landessynode der evangelischen Kirche. Aber wenn es derzeit darum geht, sich in der Flüchtlingsfrage mit den christlichen Kirchen anzulegen, ist Söder ganz vorne mit dabei.

Als CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kürzlich darüber schwadronierte, was „das Schlimmste“ sei, nämlich ein „fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist — weil den wirst du nie wieder abschieben“, da konterte Söder die sowohl aus der katholischen als auch der evangelischen Kirche tönende Kritik mit der Bemerkung: „Wenn man die Stimmung an der Basis in vielen Gemeinden sieht, dann ist nicht jede Stimme, die an der Spitze der Kirche getroffen wird, auch die Stimme, die normale Gläubige und Kirchensteuerzahler finden.“

Es knirscht derzeit gewaltig in der Beziehung der christlichen Kirchen und der Partei, die seit 70 Jahren das C im Namen trägt. Man muss ziemlich weit zurückgehen in der CSU-Geschichte, um auf ähnliche Verwerfungen zu stoßen. Im Streit um die Kernenergie und die WAA in Wackersdorf, bei dem sich vor 30 Jahren viele Kirchenleute auf die Seite der Gegner schlugen, attackierte Franz Josef Strauß Pfarrer und Bischöfe scharf und unterstellte ihnen, sie gerieten mit ihrer Haltung in die „Gesellschaft von verfassungsfeindlichen, extremistischen Organisationen“. Wie die Sache ausging, ist bekannt.

Doch die aktuelle Situation ist für die CSU deutlich komplizierter, als sie es noch in den 80er Jahren war. Von rechts macht ihr die AfD ohne jede christliche Scham Konkurrenz, und unter den in den Gemeinden aktiven Gläubigen stellen die CSU-Sympathisanten längst nicht mehr selbstverständlich die Mehrheit. So warnt der ehemalige CSU-Landtagsfraktionschef und langjährige Vorsitzende des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück, seine Partei, dass es „noch nie eine derart kritische Situation in diese Stammwählerschaft hinein gegeben“ habe. Weil dieser Entfremdungsprozess vielleicht schon weiter fortgeschritten ist, als man sich das an der CSU-Spitze eingestehen mag, beeindrucken die Scheuer- und Söder-Äußerungen kirchliche Flüchtlingshelfer in ihrem Engagement meist wenig.

„Die meisten machen eher genau deshalb weiter“, sagt Verena Schaarschmidt, Ehrenamtskoordinatorin für die Flüchtlingsarbeit beim evangelisch-lutherischen Dekanat Nürnberg und Diakonin der Melanchthonkirche Ziegelstein. Rund 100 Gemeindemitglieder haben sich dort für den Helferkreis „Gemeinsam in Ziegelstein“ gemeldet. „60 bis 70 sind aktiv.“

Begegnung gegen Ängste

Schaarschmidt weiß, dass es „an der Basis“ natürlich auch Menschen gibt, die in Zusammenhang mit dem Flüchtlingsandrang „von Ängsten geplagt werden und sagen: Allen können wir doch nicht helfen“. Ihr Rezept gegen solche Ängste lautet: „Begegnungen schaffen, die Menschen vor Ort vernetzen.“ Wer mit dem Fremden in Kontakt und ins Gespräch kommt, verliert die Angst davor.

Doch an der Spitze der CSU denkt man derzeit weniger darüber nach, wie den Menschen die Ängste vor Flüchtlingen aus anderen Kulturkreisen zu nehmen wären. Dazu ist man zu sehr mit den eigenen Ängsten vor der rechtspopulistischen AfD und dem drohenden Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern beschäftigt. Wenn führende Kirchenvertreter wie der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick den Christsozialen ins Gewissen reden, sie sollten die Hilfsbereitschaft der Menschen für Flüchtlinge nicht durch „unkluge, falsche Rede“ untergraben, hält ihm der katholische Justizminister Winfried Bausback vor, seine Kritik sei überzogen, undifferenziert und „unchristlich“.

Dem Nürnberger CSU-Landtagsabgeordneten Hermann Imhof machen solche verbalen Scharmützel sichtbar zu schaffen. Der Sozialpolitiker ist seit jeher ein liberaler und ausgleichender Mann. Wenn seine Partei mit den Kirchen in Konflikt gerät, verspürt er seinen alten Dauerzwiespalt noch schmerzhafter als sonst. „Ich bin einerseits Politiker, andererseits von der katholischen Soziallehre geprägt.“ In der Frage, wie die Zahl der Flüchtlinge auf ein für das Land verträgliches Maß begrenzt werden kann, dürfe es ruhig zu inhaltlichem Streit kommen. „Aber wir müssen unbedingt mehr Sensibilität und Achtsamkeit in Stil und Sprache entwickeln“, sagt Imhof.

Man darf getrost davon ausgehen, dass er eine Äußerung seines CSU-Bezirksvorsitzenden Söder da für kein so gelungenes Beispiel hält. Söder hatte seine Forderung nach einer Senkung der Flüchtlingskosten kürzlich damit begründet, dass es nicht angehe, dass der Staat „im Monat 5000 bis 6000 Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgeben muss und viele Frauen in Deutschland am Ende eines langen Arbeitslebens nicht ansatzweise Rente in dieser Höhe bekommen“.

Pater Ansgar Wiedenhaus von der Offenen Kirche St. Klara in der Nürnberger Innenstadt kennt diese hinkenden Vergleiche aus Gesprächen mit armen Leuten, die von der Straße zu ihm finden. Mit ihnen setzt er sich darüber auseinander. Dass ein Finanzminister so argumentiert, darüber kann er nur lachen. „Das ist, als würde jemand sagen: Ich wohne in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung und die bekommen eine ganze Turnhalle.“

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