Weitere Einschränkungen für Ungeimpfte

Krisengespräch mit Klinik-Vertretern: Die Triage steht vor der Tür

11.11.2021, 17:34 Uhr
In Oberbayern sei aktuell kein Intensivbett mehr verfügbar.

© Kay Nietfeld, dpa In Oberbayern sei aktuell kein Intensivbett mehr verfügbar.

Die gegenwärtige Situation an den bayerischen Krankenhäuser sei mit keiner anderen in der Nachkriegszeit vergleichbar, so Weiler. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzte noch eins drauf: "Es geht ja erst los."

In einem Krisengespräch mit Vertretern der Kliniken, der Ärzte und des Pflegepersonals erfuhr der Ministerpräsident und seine Ressortchefs für Gesundheit und Inneres, Klaus Holetschek (CSU) und Joachim Herrmann (CSU), was sie eigentlich schon wussten: "Die Lage ist sehr, sehr ernst und wird jeden Tag schwieriger", sagte Söder. Dabei zeigte er sich unzufrieden mit dem bisherigen Krisen-Management der noch im Werden begriffenen Berliner Ampel-Koalition, aber auch mit der Ständigen Impfkommission (Stiko) und forderte flächendeckende 2G-Vorgaben überall dort, wo dies rechtlich möglich ist.

Dies würde bedeuten, dass man auch bayerische Gaststätten und Beherbergungsbetriebe nur noch betreten kann, wenn man entweder geimpft oder genesen ist. Bis jetzt kann man in bayerischen Lokalen auch noch Platz nehmen, wenn man einen negativen Corona-Test vorlegen kann. Wo jetzt schon "2G" gilt, sollte nach dem Willen Söders "2G plus" eingeführt werden, also zusätzliche Schnelltests auch für Geimpfte und Genesene. "Die Impfdurchbrüche häufen sich", sagte Söder. In dem Fall müssten die erneut Infizierten aber zumeist nur mit milderen Krankheitsverläufen rechnen.

In Oberbayern sei praktisch kein Intensivbett mehr verfügbar, berichtete Weiler. Zimmer mit zwei Intensivbetten müssten im Extremfall zur Hälfte unbenutzt bleiben, weil man keinen geimpften Intensivpatienten mit einem schweren Covid-19-Fall zusammenlegen könne. Erleichterung gebe es derzeit nur noch, weil man Schwerstkranke nach Nordbayern verlegen könnte, wo die Situation noch weniger dramatisch sei. Man solle sich aber nicht täuschen, warnte Söder. Die besonders in Südbayern extrem schwierige Lage werde sich über kurz oder lang in alle Regionen Deutschlands ausbreiten: "Das wird sich entwickeln." Dies hätten die vorhergegangenen Pandemie-Wellen gezeigt.

"Augen zu und durch"

Es sei "eine Minute vor zwölf", sagte Markus Schopper von der Pflege-Station am Münchener Klinikum Bogenhausen. Schon jetzt könnten Operationen teilweise nicht mehr vorgenommen werden. Schopper sprach zwar nicht von "Triage", wohl aber von einem "Spagat", den man ausführen müsse, um die Versorgung noch aufrecht zu erhalten. Schopper bestätigte, dass 90 Prozent der Corona-Intensivpatienten ungeimpft seien. Leitstellen müssten bis zu zwei Stunden lang herumtelefonieren, um noch ein Krankenhaus zu finden, zu dem schwerkranke Patienten gebracht werden können, berichtete Weiler.

Was die künftige Ampel-Koalition in dieser Situation vorgelegt, sei ein "unglücklicher Start", kritisierte Söder. Es gebe für die 3G-Regel am Arbeitsplatz ebenso wie für die Unterstützung der Krankenhäuser nur "Ankündigungen", keine Ansagen zu Impfpflichten für bestimmte Berufsgruppen und zu Auskunftspflichten gegenüber den Arbeitgebern. Dem vorgelegten Gesetzentwurf fehle eine "Notfallklausel", die regelt, was im Extremfall greife. "Was tun wir dann?", fragte Söder: "AHA und 2G-Regeln und das war's dann?" Die Corona-Politik der künftig Regierenden sei bisher "einfach schwach", ihre Gesetzesvorlage gehorche dem Motto "Augen zu und durch." Für einen bevorstehenden harten Winter offeriere die Berliner Ampel ein "Sommerreifen-Set".

Neue Kritik an der Stiko

Wieder zweifelte der bayerische Regierungschef an den Empfehlungen der Stiko, die Auffrischungsimpfungen nach wie vor nur für Menschen über 70 Jahre empfiehlt. Dies sei "hinter der Lage", meinte Söder. Booster-Impfungen sollten schon fünf Monate nach der Zweitimpfung für jeden zugänglich sein. Impfstoff sei genügend vorhanden, Engpässe entstünden nur durch Probleme bei der Logistik, sagte Gesundheitsminister Holetschek. Söder leuchtet es auch nicht ein, dass im Nachbarland Österreich Kinder auch unter zwölf Jahren geimpft werden könnten, in Deutschland aber nicht. Österreich unterliege denselben Zulassungsvorschriften der europäischen Zulassungsbehörde.

"Das falsche Signal"

Söder begrüßte, dass in der kommenden Woche eine Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Pandemie stattfinden soll. Schon längst hätte man über alle diese Fragen beraten und einheitliches Vorgehen festlegen müssen. Das Aufheben der epidemischen Notlage in Deutschland sei "das falsche Signal", beharrte Söder. Der am vergangenen Mittwoch in Bayern verhängte Katastrophen-Fall spiegelt wider, was sich wirklich abspiele. Der "K-Fall" sei ausgerufen worden, um im Krankenhausbetrieb eine "optimale Organisation" zu ermöglichen und nicht, um die persönlichen Freiheiten einzuschränken, versicherte Innenminister Herrmann. Die Ordnungskräfte würden ab sofort die Einhaltung der 2G- und 3G-Vorschriften verstärkt kontrollieren.

Wer sich ohne den entsprechenden Nachweis etwa im Kino, Stadion oder einer Gaststätte aufhalte, müsse mit einer Verwarnung in Höhe von 55 Euro oder einem Bußgeldbescheid von 250 Euro rechnen. Betreiber und Veranstalter müssen mit wesentlichen höheren Bußgeldern und im Wiederholungsfall mit der Entzug der Lizenz wegen mangelnder Zuverlädsigkeit rechnen, drohte der Innenminister. Die Polizei sei allerdings nicht dazu da, anstatt der Veranstalter oder Gastronomen die Regeln zu kontrollieren, sondern zu prüfen, ob die Kontrollen ordentlich vorgenommen werden.

Aiwanger Vorbild für Kimmich

Hoffnungsvoll stimmt Söder, dass im Freistaat seit einigen Tagen offensichtlich wieder mehr geimpft wird. Lange Schlangen vor den Impfstellen seien "ein gutes Zeichen", so der Ministerpräsident. Auch dass jetzt alle Mitglieder der bayerischen Staatsregierung geimpft seien, sei ein "gutes Signal", so Söder mit Blick auf seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der gestern nach langem Zögern seine Immunisierung mitgeteilt hatte. "Ich empfehle dringend, dass es im Fußball genauso ist", so der Ministerpräsident.

Undeutlich blieben Söder und Holetschek bei Nachfragen zu Impfpflichten. Allgemein sprach sich Söder für Impfpflichten "für bestimmte Berufsgruppen" aus. Es sei jedoch "nicht sinnvoll, einzelne Gruppen herauszugreifen", sagte Gesundheitsminister Holetschek zur Empfehlung der Leopoldina, auch Lehrer einer solchen Pflicht zu unterziehen. Söder tut sich nach seinen eigenen Worten schwer, sich in dieser Situation Karnevalstreiben vorzustellen. Auch die Bedingungen für Weihnachtsmärkte gehörten zu den Dingen, die in einer Ministerpräsidentenkonferenz dringend besprochen werden müssten.

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