Mecklenburg-Vorpommern: AfD überholt CDU, SPD vorn

4.9.2016, 19:44 Uhr
Mecklenburg-Vorpommern: AfD überholt CDU, SPD vorn

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Die SPD hat die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern trotz deutlicher Verluste gewonnen. Ministerpräsident Erwin Sellering ließ am Sonntagabend allerdings offen, ob er die seit zehn Jahren bestehende Koalition mit der CDU fortsetzen will, die künftig nur doch drittstärkste Kraft im Schweriner Schloss ist. Die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde von der rechtspopulistischen AfD überholt, die aus dem Stand stärkste Oppositionspartei wurde. Auch Linkspartei und Grüne mussten erhebliche Verluste einstecken.

Die Wahlbeteiligung lag laut ARD mit 61 Prozent höher als im Jahr 2011, als sie mit 51,5 Prozent- einen historischen Tiefstand erreicht hatte.Gegen Sonntagmittag war die Wahlbeteiligung allerdings noch mäßig. Die SPD von kommt laut ZDF-Hochrechnung von 19.21 Uhr auf 30,4 Prozent der Stimmen nach 35,6 Prozent im Jahr 2011. Die CDU unter ihrem Landeschef und Innenminister Lorenz Caffier verzeichnete mit 19,4 Prozent ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis im Nordosten. Vor fünf Jahren hatte sie in Mecklenburg-Vorpommern, wo auch die Bundesvorsitzende Merkel ihren Wahlkreis hat, noch 23 Prozent der Stimmen erhalten. Die AfD erhält 21,4 Prozent und erzielte damit nach Sachsen-Anhalt ihr zweitbestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt.

NPD fliegt aus Landtag

Die in Ostdeutschland traditionell stark verwurzelte Linkspartei fuhr mit 12,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern ein nach 18,4 Prozent 2011. Die Grünen müssen mit 5,0 Prozent nach 8,7 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die rechtsradikale NPD fliegt mit 3,0 (6,0) Prozent nach zwei Wahlperioden aus dem Parlament und ist nunmehr in keinem Landtag mehr vertreten.

Mecklenburg-Vorpommern: AfD überholt CDU, SPD vorn

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Die FDP, die nach ihrem Ausscheiden 2011 auf ein Comeback gehofft hatte, blieb mit 3,0 Prozent ebenfalls deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Rechnerisch möglich wären damit die Fortsetzung von Rot-Schwarz ebenso wie ein rot-rot-grünes Bündnis, sollten die Grünen im Landtag vertreten sein.

Sellering sagte, er habe keine Präferenz für eine Koalitionsoption: "Wir werden mit allen reden." Es gebe neben der CDU auch eine zweite Möglichkeit. Der 66-Jährige verfügt nach acht Amtsjahren über hohen Rückhalt in der Bevölkerung. Laut einer ARD-Umfrage sind 73 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit zufrieden. CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte die SPD auf, die große Koalition mit der CDU fortzusetzen. "In solchen herausfordernden Zeiten braucht es in Mecklenburg-Vorpommern stabile Verhältnisse", sagte Tauber in Berlin.

Groß war der Jubel bei der AfD. "Wir schreiben hier und heute in Mecklenburg-Vorpommern Geschichte. Endlich gibt es mal wieder eine Opposition im Landtag", sagte Spitzenkandidat Leif-Erik Holm vor jubelnden Anhängern. "Vielleicht ist das der Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels", sagte er. Alle im Landtag vertretenen haben laut den Wahlanalysen Stimmen an die AfD verloren und eine Koalition mit ihr ausgeschlossen.

Schwung im Bund

Die Sozialdemokraten werteten den Wahlsieg auch als gutes Zeichen für die weitere Arbeit im Bund. Sellering und die Landespartei hätten gezeigt, "was es bedeutet, wenn Sozialdemokraten erstens gute Politik machen und zweitens kämpfen", sagte Parteichef Sigmar Gabriel vor Anhängern im Berliner Willy-Brandt-Haus.

Er erinnerte daran, dass die SPD in dem Bundesland mit Umfragewerten von 20 Prozent oder weniger fast abgeschrieben worden sei. Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich überzeugt, dass das Ergebnis auch Schwung für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus in zwei Wochen bringt, wo die SPD ebenfalls ihren Spitzenplatz verteidigen will. Nach Ansicht des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller zeigt das Ergebnis, dass man "mit klarer Kante gegenhalten" müsse gegen die AfD. "Man darf nicht wackeln", sagte der SPD-Politiker offenbar in Anspielung auf seinen Koalitionspartner CDU.

Die Bundes-CDU sieht in dem Ergebnis einen Denkzettel für die große Koalition im Bund. Diese habe „ein stückweit auch abgestraft werden“ sollen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, im ZDF. Offenbar müsse die Bundesregierung gerade ihre Flüchtlingspolitik besser erklären und den Menschen klarmachen, dass viele Sorgen vor Ort unnötig seien. Eine Politikänderung gegenüber der AfD halte er nicht für notwendig. Einer ZDF-Umfrage zufolge spielte das Thema Flüchtlinge eine wesentliche Rolle für die Wähler, gleich hinter der Schaffung von Arbeitsplätzen. Allerdings sind in dem Bundesland mit seinen rund 1,7 Millionen Einwohnern laut dem Schweriner Innenministerium nur knapp 23.000 Flüchtlinge dort registriert.
 

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