Mordende Befreier in der Elfenbeinküste

19.4.2011, 12:20 Uhr
Mordende Befreier in der Elfenbeinküste

© ivoireleaks.de

Immerhin, in all dem Chaos gab es vor ein paar Tagen eine erlösende Nachricht. Nach einer Woche völliger Ungewissheit konnte Affoue S. (Name geändert) endlich ihre Mutter in Abidjan am Handy erreichen. Sie lebt. Sie hat sich mit vielen anderen in einer Kirche verschanzt. Ihr Stadtteil Yopougon, in dem viele Anhänger des gestürzten Präsidenten Laurent Gbagbo wohnen, war massiv von Kampfjets der Franzosen und der Uno beschossen worden. Seither, berichten Affoue und ihr deutscher Mann Peter, ziehen Rebellentruppen des mutmaßlichen neuen Präsidenten Alassane Ouattara plündernd und mordend durch das Viertel.

Einer von Affoues Brüdern ist aus Angst um sein Leben aufs Land geflohen. Doch auch da haben Rebellen „ganze Dörfer abgefackelt“. Affoues Bruder hat sich zuletzt im Wald versteckt. Aus Furcht vor Repressalien gegen die Verwandten in Abidjan wollen Affoue und ihr Mann auch ihre wirklichen Namen nicht gedruckt sehen.

Mordende Befreier in der Elfenbeinküste

© afp

Vieles von dem, was das in Nürnberg lebende deutsch-ivorische Paar erzählt, dringt so nicht in die Medien. Was da berichtet wird, stimmt so überhaupt nicht mit dem überein, was die beiden von Freunden und Verwandten in der Elfenbeinküste erfahren.

Das fängt schon bei Ouattara an. Nach dem Massaker in der Stadt Duékoué im Westen des Landes hatte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) schwere Vorwürfe gegen die Rebellen des 69-jährigen früheren Regierungschefs erhoben. Mindestens 800 Tote soll es dort gegeben haben, die Caritas sprach gar von 1000. Warum die Vereinten Nationen zwar insgesamt von mindestens 1000 Opfern sprachen, in Duékoué aber „nur“ von 330, ist unklar.

Auch die Dörfer von zwei Fußballstars, von Didier Drogba vom FC Chelsea und Didier Ya Konan, der bei Hannover 96 spielt, wurden niedergebrannt. Ganze Familien wurden umgebracht. Ya Konans Eltern haben nur überlebt, weil er sie rechtzeitig nach Ghana hatte bringen lassen.

„Ich kann das nicht fassen“

Auch in Abidjan brach das Chaos aus. Ralph Podzwadowski, ein aus Berlin stammender Geschäftsmann, der mit einer Ivorerin verheiratet ist und dort lebt, hat gerade in einer Mail an seine deutschen Freunde von entsetzlichen Gräueln berichtet. Ehemalige Polizisten, Studenten und andere Anhänger des Staatschefs würden gejagt und abgeschlachtet. „Ich kann das nicht fassen“, endet seine Mail.

Viele von Ouattaras Rebellen sind Söldner, eine größere Zahl stammt aus Burkina Faso. „Das sind eingekaufte Jugendliche, viele stehen unter Drogen“, sagen Affoue und Peter S., „das sieht man schon an deren Blick.“

In Burkina Faso — damals Obervolta – ist Ouattara zur Schule gegangen. Sein Vater stammt von dort. Später ging der junge Mann zum Studium in die USA und machte steile Karriere beim Internationalen Währungfonds. Das ist, vermuten Affoue und Peter S,, der Grund, warum Ouattara nun von den westlichen Staaten ins Präsidentenamt gehoben werden soll: „Er soll das Land für die Konzerne öffnen.“

Bereits 1990 war Ouattara vom damaligen Präsidenten Félix Houphouët-Boigny zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Sein Gegenspieler Gbagbo, der für die Einführung eines Mehrparteiensystems eintrat, landete dagegen im Gefängnis. Peter S. ist sonst kein Verschwörungstheoretiker. Doch hier sieht er dunkle Kräfte am Werk, vor allem Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy.

Ouattara hatte lange im Luxus-Exil an der französischen Côte d’Azur gelebt. Als er die schwerreiche Industriellentochter Dominique Novion heiratete, wurde das Brautpaar von keinem anderen getraut als Sarkozy, der damals Bürgermeister des Pariser Nobel-Vororts Neuilly war.

Ouattaras Frau wie ihre Familie haben massive Geschäftsinteressen in der Elfenbeinküste. Dass Ouattara nun überall als „international anerkannter Wahlsieger“ gefeiert wird, ist aus Sicht von Peter S. der blanke Hohn. Im Norden der Elfenbeinküste, Ouattaras Heimat, seien in einigen Orten über die Hälfte mehr Wahlbeteiligte registriert worden, als es Wahlberechtigte gab. Neutrale Beobachter gab es nicht, und die Forderung Gbagbos, der Nachzählungen erreichen wollte, wurde von der Uno ignoriert. „Hier befindet sich ein Land in einem zweiten Kampf für Unabhängigkeit“, ist Peter S. überzeugt, „diesmal der wirtschaftlichen von den Interessen der ehemaligen Kolonialherren."