NSU-Enthüllungen aus Franken: "Es laufen noch Leute frei herum"

9.12.2017, 14:25 Uhr
NSU-Enthüllungen aus Franken:

© Markus Hannich / BILD

Der NSU-Prozess geht dem Ende entgegen. Derweil konnten sich mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle längst neue Strukturen aufbauen. Die Berliner Opferanwältin Antonia von der Behrens geht davon aus, dass noch offene Ermittlungsverfahren nach der Verurteilung Zschäpes eingestellt werden – darunter das Verfahren gegen Mandy S. Dass das bislang noch nichts geschehen ist, hält sie für rein "taktisches Offenhalten", "um uns als Nebenklagevertreter zu vertrösten und zu sagen: Wir ermitteln ja noch."


Mandy S. war auch in der fränkischen Neonazi-Szene aktiv


Von der Behrens vertritt im Zschäpe-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht die Familie des am 4. April 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubaþik. Sie und andere Beobachter halten es für einen Riesenfehler, dass sich der Generalbundesanwalt in Sachen NSU ausschließlich auf Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt konzentriert hat.

"Das Problem bei den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft ist, dass diese sich von Anfang an - seit der Übernahme der Ermittlungen am 11. November 2011 - darauf festgelegt hat, dass der NSU nur ein Trio ist." Diese Annahme habe sich über die sechs Jahre nicht geändert und so die Ermittlungen bestimmt. "Entsprechend wurden keine Unterstützer an den Tatorten ermittelt. Man hat eben nicht in die fränkische Szene geguckt", fügt von der Behrens hinzu.

Dabei hatte der NSU nach Überzeugung der Nebenklägerin "ein großes Unterstützernetzwerk, das den drei abgetauchten Neonazis geholfen hat – auch in dem Wissen, dass diese eine terroristische Vereinigung gegründet haben und Anschläge begehen". Das heißt: "Es laufen noch Leute noch frei herum, die wichtige Unterstützung geleistet haben und die angeklagt werden könnten, wenn man es ermitteln würde, und die straffrei davonkommen - und noch viel schlimmer: die neue Strukturen aufbauen können." Das sei extrem gefährlich, sagt von der Behrens.

Urteil gegen Zschäpe soll abgewartet werden

Die Ideologie des Helferkreises sei höchst gefährlich, warnt auch die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, stellvertretende Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses in Sachsen. Sie habe große Sorge, dass die Bundesanwaltschaft diese Leute aus den Augen verliere und "dass nicht mehr viel passiert". Sie fordert die Behörde auf, alle Ermittlungsergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Aus den Reihen der Bundesanwaltschaft ist zu hören, dass man das Urteil gegen Zschäpe abwarten wolle, ehe entschieden wird, ob andere Verfahren eingestellt werden oder ob Anklage erhoben wird. Und zur Frage weiterer Unterstützer heißt es offiziell: "In einem weiteren Ermittlungsverfahren werden etwaige Spuren auf mögliche bislang unbekannte Unterstützer oder bisher nicht entdeckte Taten des 'NSU' verfolgt", so der stellvertretende Pressesprecher Markus Schmitt auf Anfrage.

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