Plötzlich schmierte der Doppeldecker ab

6.9.2010, 07:21 Uhr
Plötzlich schmierte der Doppeldecker ab

Sie sitzen in vorderster Reihe an Biertischgarnituren direkt am Rand der Piste und haben keine Chance: Mit der „Nase“ nach unten kracht die „Tigermoth“ in Höhe des Kontrollturms auf den Boden, der Holzpropeller wühlt die Erde auf und zersplittert. Dutzende Holzteile fliegen offenbar Geschossen gleich in die Menge und mähen die Menschen wohl regelrecht um. „Wir waren gerade beim Kaffeetrinken, als auf einmal Tische und Bänke durch die Luft flogen – und plötzlich hatten wir den Propeller der Maschine vor uns“, berichtet ein Augenzeuge.

Eine 46 Jahre alte Frau aus Lauf – ihren Name gibt die Polizei mit Rücksicht auf die Angehörigen nicht preis – wird getötet, als sie direkt in den Propeller gerät, wie geschockte Augenzeugen berichten. Einige von ihnen wollen wissen, dass es sich um die Frau eines Kommunalpolitikers aus dem Kreis Nürnberger Land handelt.

Plötzlich schmierte der Doppeldecker ab

Fassungslos und geschockt ist auch Landrat Armin Kroder, als er zusammen mit den Einsatzleitern der Rettungsorganisationen um 17 Uhr den Medien bei einer improvisierten Pressekonferenz Auskunft gibt: „Das ist ein ausgesprochen trauriger und unschöner Tag für den Landkreis und für den Markt Schnaittach. Unser Mitgefühl gilt der getöteten Person und ihren Angehörigen“, sagt Kroder mit fahlem Gesicht.

Neben der Toten fordert der Flugunfall einen Schwerstverletzten und vier schwer verletzte Personen. Rettungshubschrauber bringen sie in nahe bzw. weiter entfernte Kliniken. Alle fünf Opfer befanden sich am Montagvormittag nicht mehr in Lebensgefahr. Insgesamt 33 Zuschauer erleiden leichtere Blessuren bzw. Knochenbrüche. Sicher ist indes, dass der Pilot der Unglücksmaschine unversehrt blieb, wie Robert Sandmann, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Mittelfranken vor Ort bestätigt.

Plötzlich schmierte der Doppeldecker ab

Unklar bleibt dagegen die Ursache für den Fehlstart mit folgendem Absturz. Dies zu klären ist die Aufgabe der Ermittler der Bundesstelle für Flugunfall-Untersuchung (BFU). Damit sie ihre Arbeit ungestört erledigen können, ist der Unfallort großräumig abgesperrt. Zunächst wird die Maschine mit Rettungsfahrzeugen vor neugierigen Blicken und Fotografen abgeschirmt, später verhindern Planen die Sicht.

Augenzeugen berichten übereinstimmend, die Maschine habe offensichtlich eine zu geringe Startgeschwindigkeit gehabt, dann habe „der Pilot wohl die Kontrolle über sein Flugzeug verloren“, sagt ein Beamter in der Nürnberger Polizeieinsatzzentrale der Nachrichtenagentur dpa.

Die Veranstaltung wurde nach dem Unglück sofort abgebrochen. Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren aus Lauf, Hersbruck, Schnaittach und weiteren Landkreisgemeinden werden als Brandbekämpfer nicht benötigt; sie sichern stattdessen die Unfallstelle ab und räumen dann in Windeseile die Biertischgarnituren weg. Das Technische Hilfswerk beginnt mit dem Aufbau von Lichtgiraffen, damit die Ermittler auch bei Dunkelheit weiterarbeiten können. Für 19 Uhr hatte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann angesagt.

Plötzlich schmierte der Doppeldecker ab

Der veranstaltende Segelflug-Club Lauf macht zunächst keine Angaben zu dem Unglück und verweist auf die Polizei. Der Doppeldecker war zusammen mit anderen Maschinen eine der Hauptattraktionen des Flugtages. Das Programm sah auch Segelkunstflug, Fallschirmformations-Sprünge sowie Hubschrauber-Rundflüge vor.

Dies alles wurde um 14.49 Uhr jäh beendet, viele Zuschauer waren traumatisiert. Sie nahmen, ebenso wie etliche Ersthelfer, dankbar die professionelle Unterstützung der Notfallseelsorger an. Manchen wird dieses Erlebnis nicht mehr loslassen – obwohl es gottlob keine Katastrophe wie 1988 in Ramstein war.