Protest und Trauer in Nürnberg

25.7.2016, 17:00 Uhr
Protest und Trauer in Nürnberg

© Horst Linke

Bereits in der Nacht zum Samstag, als am Bosporus noch die Panzer rollten, hatten sich bis zu 700 Menschen mit türkischen Wurzeln vor dem Generalkonsulat in der Regensburger Straße eingefunden, um gegen den Putschversuch der Militärs zu demonstrieren.

Am Samstagnachmittag folgten erneut rund 500 Personen dem Protestaufruf der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), einer dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner Partei AKP nahestehenden Organisation. Türkische Fahnen wurden geschwungen und in Sprechchören ließ man immer wieder Präsident Erdoğan hochleben.

Zunächst wurde mit einer Schweigeminute jedoch eines in Nürnberg geborenen und aufgewachsenen Deutsch-Türken gedacht: Serhat Önder, der seit rund einem Jahr in Ankara lebte. Der 41-Jährige  war dort in der Putschnacht mit anderen Gegnern des Umsturzversuches auf die Straße gegangen. Önder demonstrierte vor dem von Putschisten besetzten Hauptquartier des türkischen Generalstabs, von wo er  Bilder und Videos des Protests auf seiner Facebook-Seite hochlud. Als Militärs in die aufgebrachte Menschenmenge feuerten, wurde auch Önder, der unter den Türken Nürnbergs als Unternehmer, Aktivist in mehreren Vereinen aber auch Musiker und Publizist stadtbekannt war, tödlich verletzt.

Wie die Menschen auf der Kundgebung feierte auch der türkische Generalkonsul Yavuz Kül den Versorbenen als "Märtyrer für die Demokratie". Kül, der den Putschversuch in einer ersten Erklärung als „niederträchtig“ kritisierte, sagte, er sei stolz auf seine Mitbürger, „die ihr Land und die öffentlichen Gebäude zurückerobert haben“.

TGMN: "mutige Haltung"

Ähnlich äußerte sich der Sprecher der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg (TGMN), der Erlanger Hochschulprofessor Sefik Alp Bahadir gegenüber unserer Redaktion. „Nur durch die entschlossene und mutige Haltung Erdoğans und seiner Anhänger konnte der Putsch verhindert werden.“ Bahadir zeigte sich überzeugt, dass die umstrittene Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Umsturzversuch verantwortlich war.

Die auch von vielen in Deutschland lebenden türkischstämmigen Erdoğan-Kritikern in den sozialen Netzwerken geäußerte Spekulation, der Putschversuch sei eine inszenierte Aktion des AKP-Lagers gewesen, um anschließend missliebige Oppositionelle aus dem Verkehr zu ziehen, nannte Bahadir einen „absurden Vorwurf“.