Rasende Biker wüten in der Fränkischen Schweiz

14.9.2016, 06:00 Uhr
Rasende Biker wüten in der Fränkischen Schweiz

© Petra Schüller

Gleich hinterm Ortsschild kommt die erste S-Kurve. Es folgen eine Gerade bis zum Wasserhäuschen rechter Hand, kurz darauf die berüchtigte Applauskurve und weitere Links- und Rechtskombinationen. Wenn am linken Straßenrand die Felswand auftaucht, ist man schon beinahe oben angelangt.

Der Würgauer Berg in der nördlichen Fränkischen Schweiz ist ein Mythos. Kaum drei Kilometer lang ist der Anstieg vom Scheßlitzer Ortsteil Würgau zur Hochebene. Unter Motorradfahrern weit über Franken hinaus hat dieser kurze Abschnitt der Bundesstraße 22 einen guten Klang, den Bürgern des 300-Seelen-Dorfes dröhnt es in den Ohren. "Am Wochenende ist der Höllenlärm unerträglich", sagt ein Würgauer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Rauf und runter, immer wieder. Beim Wenden im Ort ordentlich Gas geben und sofort wieder hoch. Oben kurz anhalten und wieder zurück durch den Wald. Die kurvige Bergstrecke zieht die Biker magnetisch an. "Dort sind die Tempobolzer unterwegs, die den Würgauer Berg bewusst als Rennstrecke nutzen", sagte der Scheßlitzer Bürgermeister Roland Kauper (CSU) im vorigen Jahr im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Unvernunft fährt immer mit

Seitdem hat sich nicht viel zum Positiven verändert: "Der Ärger ist weiter groß. Es ist noch kein Patentrezept gefunden worden", ergänzt der Bürgermeister heute. Unter den 2700 Fahrzeugen, die an einem Sonntagnachmittag am Würgauer Berg gezählt werden, sind über 1700 Bikes, und die Unvernunft fährt mit. Motorradfahrer heizen mit aufheulenden Motoren den Berg hoch und scheren sich nicht um das Tempolimit - während der Saison ein nervtötendes Spektakel für die Würgauer.

"Bei 20 Zeitgenossen dieser Art wird das Dorf zugedröhnt", sagt Peter Krauß, Verkehrsexperte bei der Polizeiinspektion Bamberg-Land. "Die fahren hin und her, bis der Tank leer ist. Sie filmen sich noch mit der Helmkamera, um dann mit den Videoclips zu prahlen." Bei Youtube finden sich unter dem Stichwort "Würgauer Berg" rund 2000 Einträge. Vor drei oder vier Jahren war ein junger Raser aus Langenzenn (Kreis Fürth) mit 162 km/h erwischt worden - trauriger Rekord des Geschwindigkeitswahns.

Inzwischen sind auf dem gesamten Abschnitt nur noch 50 Stundenkilometer erlaubt, bei einem durchgängigen Überholverbot. "Motorradunfallstrecke" steht seit kurzer Zeit zur Abschreckung auf großen Schildern am Anfang und am Ende der kurvenreichen Strecke.

"Die Risikofahrer suchen den Grenzbereich"

Doch die Raserei geht weiter. Es ist ein Katz- und Mausspiel mit der Polizei. "Jeder weiß, wie man sich gegenseitig per WhatsApp-Dienst warnt", sagt der Chef der Polizeiinspektion Bamberg-Land, Albert Häfner. Häufig werden Biker dabei beobachtet, wie sie zunächst drei oder vier Kontrollrunden mit Tempo 50 drehen, um sicherzugehen, dass keine Geschwindigkeitsmessungen drohen.

Dann geben sie Gas. "Die Risikofahrer suchen den Grenzbereich", sagt Häfner, "das ist für sie der besondere Adrenalinkick. Diese Fahrer erreichen wir nicht mit Vernunft.“ Im vergangenen Jahr gab es am Würgauer Berg so viele Kontrollen wie noch nie, doch das hat "oft nur einen kurzfristigen Effekt". Häfner: "Eigentlich müssten wir Dauerpräsenz zeigen."

Weil das nicht möglich ist, suchen Polizei, Stadtverwaltung und Straßenbaubehörde seit Jahren nach Wegen, die Bergstrecke für Raser unattraktiv zu machen. Warnbaken, Halteverbote, Erdhaufen an der Einmündung von Wald- und Feldwegen, Heckenanpflanzungen als Sichtschutz zur Abwehr von Schaulustigen - ständig müssen die Verantwortlichen neu überlegen, wie sie den Rowdys unter den Motorradfahrern den Spaß verderben können."Es tut sich etwas, aber es ist noch kein Erfolg greifbar", meint der Bürgermeister.

Kauper würde den Berg gerne am Wochenende für Biker sperren, doch das ist rechtlich offenbar nicht möglich, weil die B 22 als Umleitungsstrecke für die Autobahn 70 gilt. Leichter hatte es die Stadt Spalt im Landkreis Roth: Für den kurvenreichen Aufstieg hinüber ins Brombachtal gibt es seit einiger Zeit für Motorräder an den Wochenenden ein Fahrverbot.

 

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