Seehofer lässt sich Richtlinienkompetenz nicht gefallen

23.6.2018, 10:13 Uhr
Eine Streitschlichtung in der Union ist weiterhin nicht in Sicht: Von Merkels Richtlinienkompetenz lässt sich Horst Seehofer nicht einschüchtern.

© Peter Kneffel/dpa Eine Streitschlichtung in der Union ist weiterhin nicht in Sicht: Von Merkels Richtlinienkompetenz lässt sich Horst Seehofer nicht einschüchtern.

Im Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält Bundesinnenminister Horst Seehofer den Druck aufrecht. Der CSU-Chef kündigte in der Süddeutschen Zeitung an, er werde sich nicht durch die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin davon abbringen lassen, bereits in einem anderen EU-Staat registrierte Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen. "Das werden wir uns auch nicht gefallen lassen", sagte er und kritisierte: "Man hat im Kanzleramt aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Und es ist höchst ungewöhnlich gegenüber dem Vorsitzenden des Koalitionspartners CSU, mit der Richtlinienkompetenz zu drohen."

Seehofer bekräftigte, er habe der Kanzlerin kein Ultimatum gestellt, sie habe selbst um zwei Wochen Zeit gebeten. Er sagte der SZ weiter, er unterstütze eine europäische Lösung. "Aber wenn es bis zum EU-Gipfel keine Regelung gibt, beginne ich mit den Zurückweisungen an der Grenze. Weicher, offener, großzügiger kann man so etwas doch gar nicht angehen." Auf die Frage, was dann passiere, antwortete er: "Dann wird es schwierig."

Seehofer betonte in der SZ: "Wenn der EU-Gipfel keine wirkungsgleichen Lösungen bringt, werden Migranten, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, zurückgewiesen." Er habe nie gesagt, dass die Grenzen hermetisch abriegelt werden sollten. "Es geht darum, dass man effektiv zurückweisen kann." Dazu gehörten für ihn auch temporäre, anlassbezogene Kontrollen auch an anderen Grenzübergängen als den drei stationär kontrollierten in Bayern. "Wir werden das aber so machen, dass sich dort keine langen Staus bilden oder die wirtschaftlichen Beziehungen in grenznahen Orten ins Stocken geraten."

Nach Einschätzung von Linke-Chef Bernd Riexinger geht es der CSU beim erbitterten Asylstreit mit der CDU nicht um die Sache. "Ich habe den Eindruck, dass das ein Putsch von rechts gegen Merkel ist. Und dass das eigentliche Ziel ist, Merkel zu stürzen", sagte Riexinger der Heilbronner Stimme. Als treibende Kräfte des Aufstandes gegen die Kanzlerin sieht er den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. "Bundesinnenminister Horst Seehofer ist in diesem gesamten Prozess sowohl Akteur als auch Getriebener."

Unionsstreit schadet Deutschland

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) rief die Union auf, ihren internen Dauerkonflikt endlich zu beenden. "Der binnenfixierte Streit, den sich CDU und CSU gerade leisten, schadet unserem Land. Ich kann nur hoffen, die beiden Parteien finden da schnell wieder heraus", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende der Rheinischen Post. Zugleich wandte er sich gegen Neuwahlspekulationen angesichts des fast ausweglos erscheinenden Asylstreits: "Wir haben vom Wähler das Mandat bekommen, das Land voranzubringen. Der Koalitionsvertrag ist eine gute Grundlage für die Arbeit der Regierung. Daran halten wir uns."

Die CSU will Asylbewerber an der deutschen Grenze abweisen, wenn diese bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Die CSU-Spitze hat Merkel bis Ende dieses Monats Zeit gegeben, die von ihr favorisierte europäische Lösung mit bilateralen Rücknahme-Vereinbarungen zu erreichen. Andernfalls will CSU-Chef Seehofer als Innenminister gegen Merkels Willen im nationalen Alleingang eine Abweisung an den Grenzen anordnen - ein Schritt, der zum Bruch des Unionsbündnisses und damit der Koalition führen könnte.

An diesem Sonntag wollen sich die Staats- und Regierungschefs von 16 der 28 EU-Staaten in Brüssel treffen, um an einer europäischen Lösung der Migrationsfrage zu arbeiten.

Gefahr für Europas Zukunft

CSU-Vize Manfred Weber sieht die Asylpolitik als möglichen Sprengsatz für die Europäische Union: "Wenn Europa keine Antwort auf die Flüchtlingsfrage gelingt, dann ist das eine größere Gefahr für die Zukunft Europas, als es die Euro-Krise war", warnte er in der Passauer Neuen Presse.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock rief die Bundeskanzlerin auf, sich über die Haltung der CSU hinwegzusetzen. "Kanzlerin Merkel muss beim Minigipfel in Brüssel klar machen, dass ihr Europa wichtiger ist als die rückwärtsgewandte Regionalpartei aus Bayern", sagte Baerbock dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Grünen-Fraktion will von Seehofer nach einem Bericht der Rheinischen Post in der kommenden Woche im Bundestag Auskunft über seinen 63-Punkte-Plan zur Flüchtlingspolitik erhalten.

NRW schließt Kontrollen aus

Aus Sicht des früheren CSU-Vorsitzenden Erwin Huber würde eine Entlassung Seehofers "kein automatisches Ende der Koalition und schon gar nicht der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU" bedeuten. Der Koalitionsvertrag gelte weiter, sagte Huber der Passauer Neuen Presse.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schloss unterdessen neue Kontrollen an den Außengrenzen seines Landes aus. "Sollte irgendeiner auf die Idee kommen, alle deutschen EU-Binnengrenzen wieder mit Schlagbäumen, Grenzhäuschen und Zöllnern zu versehen, ist das mit Nordrhein-Westfalen und auch mit mir persönlich nicht zu machen", sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende dem Kölner Stadt-Anzeiger.

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