Seehofer macht kryptische Andeutungen zu seiner Zukunft

21.11.2017, 15:31 Uhr
Erschöpft, abgekämpft, frustriert – nach wochenlangen Gesprächen ist die Union kurz vor dem Jamaika-Ziel gescheitert, ausgerechnet an der FDP. Für CSU-Chef Horst Seehofer geht es jetzt um seine politische Zukunft in Bayern. Zu Hause haben sie seine Macht infrage gestellt.

© dpa Erschöpft, abgekämpft, frustriert – nach wochenlangen Gesprächen ist die Union kurz vor dem Jamaika-Ziel gescheitert, ausgerechnet an der FDP. Für CSU-Chef Horst Seehofer geht es jetzt um seine politische Zukunft in Bayern. Zu Hause haben sie seine Macht infrage gestellt.

Am späten Vormittag hatte Seehofer das CSU-Präsidium per Telefon zusammengeschaltet. Er habe, berichten Teilnehmer später, die Grünen und die Union gelobt, die FDP kritisiert, anschließend alle abgekanzelt, die während der Berliner Sondierungsgespräche sich in München mit der CSU-Machtfrage beschäftigt hatten – und das waren viele – und danach erklärt, er werde sich an diesem Donnerstag erst mit der Fraktion und dann mit dem Vorstand treffen.

Seehofer will eine Botschaft mitbringen. Die, sagt er, "birgt nicht die Gefahr in sich, dass sie bei den Beteiligten die Gefäße zum Platzen bringen wird". Es ist ein typischer Seehofer-Satz: Jeder kann aus ihm herauslesen, was er will. Die einen verstehen ihn prompt als Auftakt zum Rückzug, wahlweise aus allen Ämtern oder nur aus einem. Die anderen glauben, dass nichts dergleichen passieren werde.


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So ist das mit dem CSU-Chef. Das eine kann stimmen. Oder das Gegenteil davon. Denn am Abend klingt Seehofer ganz anders, ganz und gar nicht versöhnlich. Er werde, sagt er, "am Donnerstag klare Antworten im CSUVorstand geben", "meine Pläne und meine Vorschläge vorstellen" und "zu den zerstörerischen Vorgängen der vergangenen Wochen etwas sagen". Der Vorstand sei der richtige Ort, fügt er noch an, es gehe "um die Herausforderungen im Bund".

Die Fraktion dagegen, mit der er sich zuvor treffen wird, erwähnt er nicht. Was die Spekulationen weiter anheizt. Denn die Fraktion entscheidet über den Ministerpräsidenten, der Vorstand über den Parteivorsitzenden. Auch sie muss im kommenden Jahr eine Wahl überstehen. Berlin ist für sie weit weg. Immerhin: Zumindest eine Idee ist vom Tisch. Ilse Aigner ist mit ihrem Vorstoß für eine Urwahl des Spitzenkandidaten gescheitert.

Im Präsidium habe sich niemand dafür erwärmt, heißt es. Der Vorschlag habe Seehofer im Gegenteil verärgert. Die Erfahrungen anderer Parteien zeigten, heißt es, dass die Urwahl die Partei nur weiter spalte mit einem wochenlangen Wahlkampf der Kandidaten und die Fronten eher verhärte als aufweiche. Das könne sich die CSU in ihrer gegenwärtigen Lage kaum mehr leisten.

Kein Wunder, dass besonnenere Gemüter wie der Erlanger CSUPolitiker Joachim Herrmann vor einer Zerreißprobe für die CSU warnen. "Wir können hart diskutieren", sagt er, "aber der Ton der vergangenen Tage tut uns nicht gut." Der reiße tiefe Wunden auf. "Wenn wir aber erfolgreich sein wollen nächstes Jahr, müssen wir alle mitnehmen."

Suche nach dem Königsweg

Es ist längst nicht mehr nur das Söder-Lager, das auf eine Entscheidung drängt. Die Frage, wie es weitergeht, müsse noch diese Woche entschieden werden, heißt es in der CSU. In der Partei hoffen sie, dass der Ingolstädter tatsächlich "weiß, was ich zu tun habe", wie er in kleinem Kreis verkündet hatte – ohne das auszuführen.

In Wahrheit ist die Situation für die CSU nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen schwieriger geworden. Anfangs hatte es so ausgesehen, als gebe es einen Königsweg im Machtkampf: Seehofer geht als Parteichef nach Berlin und zieht dort für die CSU die Fäden. Die Fraktion macht dafür ihren Wunschkandidaten zum Ministerpräsidenten – was Markus Söder wäre. Dass die beiden Seite an Seite in München die Geschicke Bayerns und der CSU steuern könnten, glauben nicht einmal die Friedfertigsten. Doch jetzt fehlt in Berlin eine Aufgabe für Seehofer. Und ob er München freiwillig aufgeben wird, wissen sie auch nicht.

Dabei hatten sich die Dinge in Berlin so ganz anders entwickelt. Er sei verblüfft, sagt Joachim Herrmann, "wie weit wir mit den Grünen gekommen sind. Die Einigung war zum Greifen nahe." Herrmann hat, anders als Söder, die Sondierungsgespräche mitgeführt. Dass die CSU sich ausgerechnet mit den Grünen würde verständigen können, an der FDP aber scheitern sollte, das hatte er nicht auf der Agenda.

"Wir dachten, wenn, dann lassen die Grünen das platzen." Ob FDP-Chef Christian Lindner das so geplant hatte, darüber mag Herrmann nicht spekulieren. Doch er glaubt, dass für Lindner die Frage einer Regierungsbeteiligung nachrangig war. "Ihm geht es darum, wie er die FDP in den Parlamenten halten kann." Und da, das glauben auch andere in der CSU, hat er den richtigen Weg gewählt. "Wenn es zu Neuwahlen kommt", mutmaßt ein führender CSU-Mann, "wird die FDP noch stärker werden." Denn die sei längst im bürgerlichen Lager unterwegs. "Die holen sich unsere Stimmen."

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