Tourismus-Flaute in Nürnbergs Partnerstadt Antalya

17.10.2016, 06:00 Uhr
Der Themenpark "The Land of Legends" ist erst im Juli in Antalya für viel Geld eröffnet worden. Doch die Touristenmassen bleiben aus.

© Hauck Der Themenpark "The Land of Legends" ist erst im Juli in Antalya für viel Geld eröffnet worden. Doch die Touristenmassen bleiben aus.

Solidarität. Ein Wort, das Deutsche immer wieder hören, wenn sie in diesen Tagen die Türkei besuchen. Nach Anschlägen, einem Putschversuch und dem seither verhängten Ausnahmezustand sind hier die Besucherzahlen eingebrochen. Dabei ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes.

Insbesondere im Raum Antalya lebt der Großteil der Menschen von den Touristen aus dem Ausland. Vor allem die Nürnberger haben zu ihrer Partnerstadt eine besondere Bindung: Im kommenden Jahr feiert die Partnerschaft immerhin ihr 20-jähriges Jubiläum. Nicht nur deshalb stattete auch Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly mitsamt einer Delegation seinen "Freunden" einen Besuch ab.

Mit einem Handtuch braucht in Antalya mittlerweile niemand mehr eine Pool-Liege zu reservieren. Denn die Entwicklung hat Folgen. Weil der Tourismus eine Schlüsselbranche ist, sind die Auswirkungen gravierend. Ähnlich, wie wenn in Deutschland auf einmal die Bänder bei VW oder Opel stillstehen würden.

Yusuf Hacisüleyman ist Präsident des Hotelverbands in Antalya. Er erklärt: "Fünf Millionen Gäste sind im Vergleich zum Vorjahr weggeblieben." Das ist insgesamt ein Minus von 45 Prozent. Vor allem die Deutschen meiden die Türkei – die Hauptzielgruppe. "Viel zu gefährlich", lautet das Argument der meisten. Ein Zustand, der die Menschen in der Türkei enttäuscht – und auch ärgert.

Einer, der sich ärgert, ist Menderes Türel. Auch der Bürgermeister der Touristenhochburg spricht die Solidarität an. Deutsche – in kurzen Hosen und Badelatschen mitsamt weißen Socken – gehören schon seit Jahrzehnten zum Bild der Stadt dazu, erzählt er. Sie seien zwar nicht ganz so spendierfreudig wie die Russen, stellten bislang aber eine verlässliche Einnahmequelle dar. Und das Verhältnis zwischen den Deutschen und den Türken reiche über ein reines Wirtschaftsverhältnis hinaus. Viele der Menschen in der Türkei seien mit Briefen aus Deutschland aufgewachsen. Fast jeder hat ein Familienmitglied, das in der Bundesrepublik lebt. Dass nun gerade "Freunde" sich abwenden, wiegt schwer in diesem Land, in dem viel Wert auf Konventionen gelegt wird.

Touristen haben ein mulmiges Gefühl

Ob das mulmige Gefühl, das viele Deutsche bei dem Gedanken an eine Reise in die Türkei umtreibt, bald verflogen sein wird? Die Russen jedenfalls haben offenbar kaum Angst vor Terroranschlägen. Vielleicht sind sie es eher gewohnt, mit Schreckensmeldungen zu leben? Sie genießen das Leben vielmehr, wenn sie verreisen. Umso prunkvoller und kitschiger, desto besser.

"The Land of Legends Theme Park" – ein im Juli eröffneter Freizeitpark in Antalya – ist genau auf diese Zielgruppe zugeschnitten. Im Stil von Disneyland will er Familien auf Wasserrutschen und in die Achterbahn locken. Als der Bau vor zwei Jahren begonnen hatte, florierte der Tourismus noch. Heute ist das Bild ein anderes: Kaum jemand steht vor den Wasserrutschen an. Das Geld für den eine halbe Milliarde Dollar teuren Park kommt hauptsächlich von türkischen Investoren. Rund 15 000 Besucher bräuchte das "Legendenland" täglich eigentlich, um bald schwarze Zahlen zu schreiben. Investitionen von einer weiteren Milliarde Dollar seien bereits geplant, erklärt Generaldirektor Stefano Capaccetti. Den deutschen Besuchern gibt der gebürtige Italiener mit auf den Weg: "Hier ist es sicherer als in Rom."

Antalya tut viel, um den Touristen zu gefallen. So werden in der Stadt keine Flüchtlinge aufgenommen – es herrscht eine Art Sonderstatus. Auch die "Expo", die in diesem Jahr hier stattfindet, soll Ausländer anlocken – auch wenn es für die Veranstalter im Vorfeld schwer war, ihre Stände voll zu bekommen. Nach anfänglichen Bedenken hat sich nun auch Deutschland für eine Präsenz auf der "Expo" entschieden. Da dürfen sogar beim Thema Nachhaltigkeit die Gartenzwerge nicht fehlen.

Von Nachhaltigkeit und Gartenzwergen

Diese konnte auch Nürnbergs Bürgermeister vor Ort bewundern, der mit einigen Stadträten nach Antalya gereist war. Ein Zeichen der Solidarität in diesen schweren Zeiten, betont Maly. Doch er gibt auch zu, "eine Sekunde lang darüber nachgedacht zu haben", den Besuch abzusagen. Ein Gedanke, den der SPD-Politiker schnell wieder verworfen habe. Schließlich leben hier viele Freunde.Über die Situation im Land habe er sich auch nach seinem viertägigen Aufenthalt noch keine abschließende Meinung bilden können. In privaten Gesprächen wolle er aber nochmals tiefer in das Thema eintauchen. Den Kontakt zu den Menschen aufrecht zu erhalten, sei nun das wichtigste. Maly findet sowieso: "Wir müssen weniger reden und mehr zuhören."

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