Türkei-Wahl: Erdogan muss in Nürnberg Verluste hinnehmen

25.6.2018, 20:49 Uhr
Nicht nur Ankara feierte seinen Präsidenten, sondern auch am Plärrer in Nürnberg kamen zahlreiche seiner Anhänger zusammen.

© Pool Presidential Press Service/AP/dpa Nicht nur Ankara feierte seinen Präsidenten, sondern auch am Plärrer in Nürnberg kamen zahlreiche seiner Anhänger zusammen.

Hupende Autos, jubelnde Menschen und jede Menge rot-weiße Halbmondflaggen – fast könnte man meinen, dass die Türkei doch bei der Fußball-WM dabei ist. Aber die Siegesnachricht, über die sich gut 250 Menschen am Sonntag rund um den Plärrer freuten, kam nicht aus einem russischen Stadion, sondern aus Ankara: Die vermeintlichen Fußballfans feierten den Wahlsieg von Recep Tayyip Erdogan, der mit 52,6 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden war.

Dass das außerhalb der Türkei für Jubel sorgt, verwundert nicht. Der Präsident erfreut sich unter Wählern im Ausland besonders hoher Beliebtheit: Von den 1,5 Millionen Wählern, die bis Sonntag in Ankaras Auslandsvertretungen in 61 Ländern sowie an den Flughäfen und Grenzübergängen der Türkei ihre Stimme abgaben, wählten ihn 59,4 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 50,1 Prozent.

In Deutschland, wo nur 45,1 Prozent von 1,4 Millionen Wahlberechtigten an die Urnen gingen, schnitt er mit 64,8 Prozent sogar deutlich besser ab. Ähnliche Ergebnisse erreichte er in Ländern wie Frankreich (63,7 Prozent), Österreich (72,3), Holland (73) oder Belgien (74,9), in denen ebenfalls viele ehemalige "Gastarbeiter" und ihre Nachkommen leben. Zum Vergleich: In den USA, Kanada oder Neuseeland, wo vor allem türkische Studenten und Akademiker leben, unterlag er seinem sozialdemokratischen Gegner Muharrem Ince, der hier bis zu 69,3 Prozent der Stimmen holte.

Regionale Unterschiede im Wahlverhalten

Auch wenn sich am Sonntag die Jubel-Szenen in Nürnberg und anderen deutschen Städten ähnelten, gibt es bei näherem Hinsehen deutliche regionale Unterschiede im Wahlverhalten. Den stärksten Rückhalt genießt Erdogan in Nordrhein-Westfalen, wo vier von insgesamt 13 deutschen Wahlzentren standen: Lag er in Köln (65,9) und Münster (66,3) nur leicht über dem bundesweiten Ergebnis, verbuchte er in Düsseldorf bereits 70,5 Prozent. In Essen stimmten sogar 55.288 Wähler für ihn und bescherten ihm ein Ergebnis von 76,3 Prozent.

Während Erdogan auch in Karlsruhe (63,2) Mainz (64,5), Stuttgart (68,8) und München (65,5) noch gut punkten konnte, lag er in Nürnberg, Hamburg, Hannover und Frankfurt jeweils bei rund 60 Prozent oder darunter. Der einzige Ausreißer nach unten war Berlin: Hier musste der türkische Präsident mit "nur" 51,7 Prozent der Stimmen ein Ergebnis verkraften, das unter seinem Resultat in der Türkei lag.

Vergleicht man die Ergebnisse der parallel zur Präsidentenwahl gelaufenen Abstimmung für das Parlament, relativiert sich der Wahlsieg Erdogans zumindest ein wenig. Seine islamisch-konservative AKP erhielt zwar 55,7 Prozent der deutsch-türkischen Stimmen und schnitt auch hier besser ab als am Bosporus (42,6 Prozent). Bei der Parlamentswahl im November 2015 hatte sie aber noch 59,7 Prozent erreicht. Von den insgesamt rund 83.500 zusätzlichen Wählern, die die Wahlbeteiligung auf 45,1 Prozent (2015: 40,8) ansteigen ließen, konnte die AKP nur knapp 22 000, also jede vierte Stimme für sich verbuchen.

Zweitschwächstes Ergebnis

Im Wahlkreis des Generalkonsulats Nürnberg, das Nordbayern und Thüringen umfasst, sanken ihre Stimmen sogar in absoluten Zahlen geringfügig auf 13.159. Während sie es 2015 mit 13.703 Wählerstimmen noch auf 54,8 Prozent brachte, kam sie am Sonntag aufgrund der gestiegenen Wahlbeteiligung nur noch auf 49,2 Prozent — ihr bundesweit zweitschlechtestes Ergebnis. Noch weniger Stimmen erhielt die AKP nur in Berlin mit 45,3 Prozent.

Für die türkischen Sozialdemokraten dagegen bestätigte sich Nürnberg als Hochburg. Mit 5999 Stimmen konnte die CHP, die in Deutschland insgesamt nur bei 15,6 Prozent lag, ihr bundesweit bestes Ergebnis einfahren: Hier und in Berlin erreichte sie jeweils 22,4 Prozent (2015: 21,3). Während die prokurdische HDP und die nationalistische MHP mit 11,2 und 9,6 Prozent ähnliche Ergebnisse wie 2015 (11,4 und 10,2) einfuhren, gelang der Iyi Parti ein Achtungserfolg: Die 2017 gegründete rechtskonservative Partei, die bundesweit auf 3,3 Prozent kam, erzielte in Nürnberg ihr bestes Ergebnis mit 4,4 Prozent.

2 Kommentare