Überzeugungstäter in Sachen Bio geht seinen Weg

25.10.2016, 05:28 Uhr
Überzeugungstäter in Sachen Bio geht seinen Weg

© Foto: Berny Meyer

Anruf bei einem Bauern im Nürnberger Land. Der Mann wirtschaftet seit Jahrzehnten biodynamisch. Sein Name tut hier nichts zur Sache. Nur so viel: Gerhard Bickel, Gründer von ebl-Naturkost, Herr über 25 Bio-Fachmärkte in Mittel- und Oberfranken, hat den Mann im Gespräch als "alten Weggefährten" bezeichnet. Keine schlechte Adresse also für einen Journalisten, der ein Porträt schreiben und auch einen Eindruck davon bekommen will, wie Dritte über Bickel denken.

In diesem Fall geht es allerdings grandios schief. Der Landwirt lässt einen nicht groß zu Wort kommen und erklärt stattdessen mit einer gewissen Vehemenz, dass er vor über 20 Jahren schlechte Erfahrungen mit einem Kollegen gemacht hat. Seither rede er nicht mehr mit der Presse. "Des mussd etz verstehn". Also auf Nimmerwiederhören.

Gut. Am Ende ist das nicht tragisch. Bickel wird für seinen Kurs in der Branche allgemein geachtet, er gilt als Vorreiter, der vielen Bio-Landwirten in der Region mit seinem Geschäftsmodell eine Symbiose bietet und hilft. Einer, der persönlich Kontakt hält und pflegt. Und ganz nebenbei versteht man nach dem Telefonat besser, was Bickel über seine Anfänge im Geschäft mit Bio-Lebensmitteln erzählt.

Ende der 1970er Jahre lernt der Sohn eines Fleischgroßhändlers in der Nürnberger Südstadt Einzelhandelskaufmann bei der fränkischen EWS-Kaufmarktkette. Die Kürzel standen für den Gründer und Eigentümer Ernst Werner Schmidt, der früh das Potenzial erkannt hat, das in Bio-Produkten steckt. "Damit die Sache wächst, hat er einen jungen Mitarbeiter gesucht. Und so habe ich den Auftrag gekriegt, für Kaufmarkt ein Bio-Sortiment aufzubauen", sagt Bickel. Die ganze Sparte war damals jedoch noch sehr überschaubar - und die seinerzeit oft als "Ökospinner" verschrienen Erzeuger eigen bis störrisch. "Die wollten uns anfangs nicht beliefern", erzählt Bickel. Erst "nach Jahren der Vertrauensarbeit" wurde es besser - und den Bio-Landwirten klar, dass ein Supermarkt nicht automatisch die Verkörperung des Bösen ist.

Fränkische Zurückhaltung

Dabei hat dem heute 55-jährigen Bickel wohl auch seine eigene fränkische Art geholfen. Er ist im Gespräch ein aufmerksamer Zuhörer, wägt seine Worte und redet nicht mehr, als nötig. Kein missionarischer Eiferer, aber jemand, der von etwas überzeugt sein muss, um es zu tun.

"Bio" ist für Bickel so nicht nur eine leere Hülse, die sich inzwischen über sehr viele Produkte stülpen lässt, um sie besser zu verkaufen. "Für mich ist das eine logische Vorgehensweise, vom Anbau über die Verarbeitung, den Handel. Das war mir sehr früh klar. Und auch, dass ich nichts anderes machen will." Das Konzept mit eigenen Bio-Abteilungen in den Märkten war erfolgreich und vielleicht wäre alles so weitergelaufen, wenn Schmidt seine Filialen nicht verkauft hätte und sie deshalb in die Marktkauf-Kette integriert worden wären. "Da war mir schon klar, dass massive Veränderungen auf uns zukommen", sagt Bickel.

Aber manchmal entstehen neue Wege eben einfach dadurch, dass man sie geht. Bickel redet mit engen Mitarbeitern, mit Lieferanten und findet schließlich eine Bank, die ihm ein Existenzgründerdarlehen gibt. Er übernimmt Ware, Einrichtung, Beschäftigte. "Einfach besser leben", die Firma ebl-Naturkost, ist geboren.

Der erste Laden entsteht auf 200 Quadratmetern am Marktkauf-Standort Zirndorf. "Am 1. Juli 1994 kam das Kaufmarkt-Schild runter und das ebl-Schild hoch", sagt Bickel. Es folgen Thon, Mögeldorf und weitere Märkte. 1996 ist Bickel Chef von siebzig Mitarbeitern an sechs Standorten, das Sortiment umfasst 2000 Artikel - und der junge Familienvater stößt mit seinem stillen Ehrgeiz an Grenzen.

Seinen eigenen Traum zu leben, schützt nicht davor, Fehler zu machen. Bickel fällt die neue Rolle als Unternehmer schwer. "Irgendwie wollte ich weiter leitender Angestellter sein und dachte, die anderen machen es schon alle richtig." Aber so lässt sich Personal nicht führen. "Einen klaren Kurs vorzugeben, musste ich erst lernen". 20 Jahre später fällt es schwer, das zu glauben. Bickel sitzt in seinem schnörkellosen Büro in der großen, neu gebauten Firmenzentrale auf der Fürther Hardhöhe. Viel Holz und offener Beton dominieren das Gebäude. Die Energie kommt aus Geothermie und Photovoltaik-Anlagen.

Sein Einzel- und Großhandelsunternehmen hat inzwischen über 450 Mitarbeiter, das Sortiment in den Geschäften umfasst 6000 Artikel, Bedientheken mit Käse, Backwaren, Fleisch und Wurst aus der eigenen Bio-Metzgerei. Die Ware kommt von 500 Lieferanten, rund die Hälfte von ihnen produzieren in Mittelfranken, ein Drittel des Umsatzes wird mit regionalen Erzeugnissen gemacht.

Wachsender Markt

So viel wie möglich aus der Region zu bekommen, ist Bickel wichtig. "Der Bio-Anbau hier muss wachsen", sagt er. Dass die Zahl der Umstellbetriebe zuletzt wieder gewachsen ist, freut ihn. 2015 wirtschafteten in ganz Deutschland 24.343 Höfe ökologisch, rund 1000 mehr als ein Jahr zuvor. Und auch der Bio-Markt in der Bundesrepublik wächst zweistellig. Im vergangenen Jahr kauften deutsche Haushalte für 8,6 Milliarden Euro Bio-Produkte, elf Prozent mehr als 2014.

Und im Naturkost-Fachhandel wurde die Gesamtumsatz-Marke von drei Milliarden Euro geknackt. Auch wenn Bickel nichts zu den ebl-Geschäftszahlen sagt, macht er keinen Hehl daraus, dass der Laden läuft. Er zählt bundesweit zu den Erfolgreichsten der Branche. Aber für ihn gehören unternehmerischer Erfolg und gesellschaftlicher Nutzen zusammen. "Der Bauer braucht einen auskömmlichen Preis, genauso wie der Verarbeiter." Dann darf es auch dem Handel gut gehen.

Die Grenzen des Wachstums definiert Bickel vor allem geografisch. Außerhalb eines 100 Kilometer großen Radius um Nürnberg herum macht ein ebl-Geschäft schon mit Blick auf die Lieferlogistik und den Gedanken des regionalen Wirtschaftens für ihn keinen Sinn. Wobei er "Bio" durchaus global begreift.

So hat der Pionier des Ökohandels zum Beispiel kein Problem, Honig aus Peru zu verkaufen. Auch dort müssten die Imker und mit ihnen die für die Natur wichtigen Bienenvölker überleben.

Bio-Rind aus Argentinien oder Enten aus Dänemark kommen ihm hingegen nicht in die Theke, auch wenn er gerade vor Weihnachten mehr Roastbeef oder Geflügel verkaufen könnte, als in der eigenen Metzgerei verarbeitet werden. "Das wollen wir nicht ändern und versuchen, genau das zu vermitteln. Wenn es immer alles gibt, gibt es irgendwo auch einen Verlierer".

Mehr Achtsamkeit

Ein Punkt, der ihm auch bei der Betrachtung des Marktes wichtig ist. Grundsätzlich sei das steigende Verbraucherinteresse und damit der Ausbau der Bio-Sparte im konventionellen Handel und bei den Discountern positiv. "Aber wenn es wieder nur um den Preis geht, wird es unglaubwürdig", sagt er. Weil dann am Ende dem Erzeuger wieder das Geld fehlt, um wirklich ökologisch zu produzieren.

Am Ende dreht sich bei Gerhard Bickel somit alles um das Thema Achtsamkeit. Die Umwelt bewusster wahrnehmen - und sich selber auch. Inzwischen hat der Firmenchef auch Luft, um längere Urlaube mit der Familie zu nehmen. Und einmal im Jahr geht er zum Heilfasten. "Ich handle mit Lebensmitteln und wir haben regelmäßig Verkostungen", sagt er. Da wird es dann schnell einmal zu viel. "Aber es schmeckt halt auch so gut".

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