Union und SPD steuern auf große Koalition zu

12.1.2018, 19:47 Uhr
Ist endlich ein Ende in Sicht? Momentan steht es gut für die große Koalition.

© Bernd von Jutrczenka/dpa Ist endlich ein Ende in Sicht? Momentan steht es gut für die große Koalition.

Die Spitzen von Union und SPD nehmen mit einem umfangreichen Kompromiss zu Flüchtlingen, Rente und Investitionen Kurs auf eine neue große Koalition. In der SPD gibt es starke Widerstände, aber zumindest im Parteivorstand ist der Gegenwind schwächer als erwartet. Die Parteiführung will die zweifelnde Basis nun unter anderem mit den geplanten sozialen Verbesserungen und Milliardenausgaben des Bundes überzeugen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Martin Schulz und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer einigten sich am Freitag nach einer mehr als 24-stündigen Schlussrunde der Sondierungen auf Grundzüge der Zusammenarbeit. Merkel will mögliche Koalitionsverhandlungen bis zur Karnevalszeit Mitte Februar abschließen.

SPD-Parteitag entscheidend

Zunächst aber muss der SPD-Parteitag am 21. Januar über die Aufnahme formeller Verhandlungen entscheiden. Er gilt wegen der Widerstände an der Basis als große Hürde. Sollten die Delegierten grünes Licht geben, sollen am Ende noch die SPD-Mitglieder über einen Koalitionsvertrag abstimmen. Die CDU will auf einem Parteitag entscheiden. Eine neue Regierung könnte dann vor Ostern stehen.

Anders als von der SPD gefordert soll es keine Steuererhöhungen geben, aber eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Die geplante Rückkehr zu von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen geteilten Krankenkassenbeiträgen, ein höheres Kindergeld und eine Grundrente für langjährige Geringverdiener sollen Verbesserungen für Millionen Bürger bringen. Auch geplante Milliardenausgaben für Kitas, Schulen, den Wohnungsbau und Kommunen verbuchten SPD-Vertreter als Erfolge.

Zentrale Forderung zu Flüchtlingsdebatte

Der Flüchtlingszuzug soll auf 180.000 bis 220.000 pro Jahr begrenzt werden. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll zunächst weiter ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist, und dann auf 1.000 Menschen pro Monat begrenzt werden. Hier finden sich zentrale Forderungen der Union wieder. Schon in der nächsten Monaten soll ein Gesetzentwurf für eine Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs auf den Weg kommen.

Schulz zeigte sich optimistisch, dass die SPD ihm folgen wird. «Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben.» Seehofer sprach von einem "Aufbruch", die Kanzlerin von einem "Papier des Gebens und des Nehmens". Alle drei Parteivorsitzenden sind nach massiven Verlusten bei der Bundestagswahl angeschlagen. Vor allem Schulz steht unter Druck. Der SPD-Vorstand sprach sich mit großer Mehrheit für Koalitionsverhandlungen aus, der Vorstand der CDU und die CSU-Landesgruppe jeweils einstimmig.

Schulz will zusammen mit der Parteispitze in den nächsten Tagen bei der Basis für eine Neuauflage der ungeliebten großen Koalition werben. Die Jusos wollen dagegen Widerstand mobilisieren. Die SPD-Linke zeigte sich gespalten. Zumindest im Parteivorstand ist die Zahl der Gegner aber geringer als erwartet. Von knapp 40 Anwesenden stimmten nur sechs gegen Verhandlungen mit der Union. Die Kritiker einer großen Koalition hatten auf bis zu zehn Gegenstimmen gehofft.

Merkel anscheinend zufrieden

Merkel unterstrich nach Abschluss der Sondierungen, das Papier sei "nicht oberflächlich". Es gehe um Zukunftsinvestitionen, besonders in Kinder und Familien. Zudem müsse in Wohnungen, in den Verkehr sowie in die Energiewende mehr investiert werden. 15.000 neue Stellen für Polizisten seien nötig, Gerichte müssten entlastet werden. Die Welt warte nicht auf Deutschland. Deshalb bedürfe es für Europa eines neuen Aufbruchs. Sie sei sich nicht immer sicher gewesen in den vergangenen 24 Stunden, dass es gelinge. Sie sei aber jetzt optimistisch, dass die Dinge vorangehen.

Schulz sagte, man habe hart gerungen. Das Papier spiegele nun den Wunsch nach Erneuerung wider, bei Familien, bei Bildung und bei der digitalen Herausforderung. Die Verhandlungen seien zum Teil turbulent verlaufen, hätten aber zu keinem Moment auf der Kippe gestanden. Die drei Parteien seien bereit, Europa wieder stark zu machen.

Auch die CSU ist mit dem Sondierungsergebnis nach den Worten von Seehofer "hochzufrieden". Für die CSU sei kein zusätzlicher Parteitag zur Bestätigung nötig. Die CSU-Forderung nach Ausweitung der Mütterrente findet sich in abgeschwächter Form in der Einigung. Anders als von der SPD gefordert, umfasst die Einigung keine Bürgerversicherung und keine Aufhebung des Verbots einer Kooperation des Bundes mit den Ländern in der Bildung.

Keine Steuererhöhungen

Die von der SPD geforderte Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Es gebe keinen Steuererhöhungen, hieß es. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden. Für die Zeit danach soll eine Rentenkommission tagen.

Der Solidaritätszuschlag soll in dieser Legislaturperiode um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Das soll kleine und mittlere Einkommen bis zu etwa 60.000 Euro betreffen. Das Kindergeld soll in zwei Schritten um 25 Euro erhöht werden. Obwohl die Wünsche der drei Parteien insgesamt an die 100 Milliarden Euro teuer geworden wären, solle jetzt der finanzielle Spielraum von bis zu 45 Milliarden Euro eingehalten werden, hieß es. Die Union pochte dem Vernehmen nach angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die "schwarze Null" - also den Verzicht auf neue Schulden.

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