UNO bestätigt Kriegsverbrechen in Syrien

1.3.2017, 20:05 Uhr
Viele Städte wurden in Syrien durch den Bürgerkrieg unbewohnbar. Die UNO verurteilt jetzt das Vorgehen der beiden Konfliktparteien aufs Schärfste.

© dpa Viele Städte wurden in Syrien durch den Bürgerkrieg unbewohnbar. Die UNO verurteilt jetzt das Vorgehen der beiden Konfliktparteien aufs Schärfste.

Auch die Einigung zwischen den Konfliktparteien zur Evakuierung Ost-Aleppos stelle ein Kriegsverbrechen dar. Denn sie habe die "zwangsweise Umsiedlung" von Zivilisten zur Folge gehabt. Der Bericht verweist ferner darauf, dass syrische Streitkräfte ein Kriegsverbrechen begingen, als sie am 19. September 2016 bei Aleppo "absichtlich" einen humanitären Hilfskonvoi aus der Luft angriffen und 15 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen töteten.

Die Auswertung von Satellitenbildern, rechtsmedizinische Beweise und anderes Material hätten ergeben, dass der Angriff offenbar "sorgfältig geplant und rücksichtslos ausgeführt" wurde, um humanitäre Hilfe zu behindern. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad weist jede Verantwortung für die Luftangriffe von sich.

Beweise für Chlorgas-Angriffe

Im Dezember hatte eine Untersuchung der UNO ergeben, dass nicht geklärt werden könne, wer den Hilfskonvoi attackierte. Im jetzigen Bericht heißt es, zwischen dem 21. Juli und dem 22. Dezember, als syrische Soldaten Aleppo vollständig von den Aufständischen zurückeroberten, hätten die syrische Luftwaffe und ihr russischer Verbündeter die Stadt "täglich bombardiert". Es gebe schlüssige Beweise, dass syrische Flugzeuge "giftige industrielle Chemikalien, einschließlich Chlorgas" abwarfen.

Für den Einsatz von Chemiewaffen durch die russische Seite gebe es hingegen keine Hinweise. Durch die Luftangriffe seien wiederholt Krankenhäuser, Märkte und Wohnhäuser getroffen worden. Die bewaffneten Rebellen im Ostteil von Aleppo beschossen dem Bericht zufolge die Wohnviertel im Westen der Stadt, ohne klare militärische Ziel zu haben. Als Zivilisten aus dem Ostteil zu fliehen versucht hätten, seien sie von einigen bewaffneten Gruppen gewaltsam daran gehindert, hingerichtet oder als "menschliche Schutzschilde" missbraucht worden.

Klima der Angst

Die Zahl der islamistischen Kämpfer in Ost-Aleppo gibt der Bericht mit 6000 bis 8000 an. Dazu kämen bis zu 200 Rebellen der Fateh-al-Scham-Front - hervorgegangen aus der Al-Nusra-Front, dem ehemaligen Al-Kaida-Ableger in Syrien. Die bewaffneten Gruppen hätten sich die humanitäre Hilfe angeeignet, Vetternwirtschaft walten lassen und unter den Einwohnern ein Klima der Angst verbreitet. Die spätere Evakuierung des Ostteils Aleppos, die von UN-Personal und Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz überwacht wurde, ließ den Zivilisten laut Bericht "keine Möglichkeit zu bleiben".

Vielmehr hätten die Bewohner in den von der Regierung kontrollierten Westen Aleppos oder in die von Rebellen beherrschte Provinz Idlib im Nordwesten des Landes umsiedeln müssen. Die entsprechende Vereinbarung zwischen Regierungskräften und Rebellen sei aus "strategischen Gründen" und nicht aus Sorge um die Sicherheit der Zivilbevölkerung erfolgt.

Der brasilianische Vorsitzende der im August 2011 gebildeten UN-Untersuchungskommission, Paulo Pinheiro, nannte das Geschehen in Aleppo "beispiellos". Der Bericht beruht auf etwa 300 per Telefon oder Kommunikationsdiensten geführten Gesprächen mit Einwohnern Aleppos.

Ein Besuch in Syrien war der Kommission nicht gestattet. Pinheiro äußerte in Genf seine Enttäuschung, dass Damaskus die Zusammenarbeit mit der Kommission verweigerte. In dem seit März 2011 andauernden Gewaltkonflikt wurden der UNO zufolge mehr als 310.000 Menschen getötet und Millionen weitere in die Flucht getrieben. Seit dem Eingreifen des russischen Militärs auf Bitten Assads und der Einnahme Aleppos hat sich das Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Aufständischen verändert. Derzeit führen die Konfliktparteien Friedensgespräche in Genf.

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