Uwe Kekeritz: „Ich denke, TTIP und Ceta lassen sich noch stoppen“

1.11.2015, 19:29 Uhr
Uwe Kekeritz: „Ich denke, TTIP und Ceta lassen sich noch stoppen“

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Uwe Kekeritz: „Ich denke, TTIP und Ceta lassen sich noch stoppen“

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Sie sind einer der Abgeordneten im Bundestag, die sich intensiv mit TTIP befassen. Konnten Sie schon Einblick in die Verhandlungstexte nehmen?

Uwe Kekeritz: Nein, die sogenannten konsolidierten Texte (die die EU- und die US-Vorschläge kombinieren; Anm. d. Red.) habe ich nicht einsehen können. Allen Bundestagsabgeordneten ist das verwehrt. Nur ausgewählte Regierungsmitarbeiter haben Zugang.

Wie kann das sein? Parlamentspräsident Norbert Lammert und der Ältestenrat des Bundestags haben in einer Resolution verlangt, dass Abgeordnete Zugang haben müssen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wollte das mit der US-Seite verhandeln. Warum passiert da nichts?

Kekeritz: Es liegt an den USA. Natürlich kann man eine Resolution verfassen. Lammert kann sich auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker treffen. Wenn die Amerikaner Nein sagen, wird das nichts. Das würde nur was werden, wenn Gabriel, der ja auch Vizekanzler ist, auf den Tisch haut und sagt: „Jetzt machen wir die Sache öffentlich. Und wenn das nicht passiert, wird eben nicht mehr weiterverhandelt.“ Alles andere sind Scheingefechte.

Die US-Seite sagt, es sei Sache der Bundesregierung, Personen zu benennen. Laut dem Wirtschaftsressort haben 139 Personen Zugang zu den Texten, die im Lesesaal der US-Botschaft ausliegen. Darunter ist nur ein Abgeordneter, Jürgen Hardt von der CDU, der aber als transatlantischer Koordinator Mitglied der Regierung ist. Ist doch die Regierung schuld?

Kekeritz: Da sind die Aussagen widersprüchlich. Ich habe aber die Information, dass es die Amerikaner sind, die die Einsicht verweigern.

Die Texte der EU-Unterhändler waren zeitweise auf einem internen Server des Bundestags einsehbar. Nachdem einige Texte daraufhin bekanntwurden, untersagte EU-Kommissarin Malström die Bereitstellung auf dem Server. Und jetzt?

Kekeritz: Daran können Sie erkennen, dass die Amerikaner doch ganz massiv Einfluss nehmen und das nicht in der Hand der Bundesregierung ist. Außerdem handeln Malström und Gabriel da etwas kindergartenmäßig: „Ihr habt da gepetzt, ihr habt was nach draußen getragen. Jetzt dürft ihr nicht mehr mitspielen.“ Das kann in einem demokratischen System so nicht funktionieren.

Die EU-Abgeordneten dürfen Texte einsehen, aber nur die der europäischen Seite. 17 Ordner. Wie soll jemand, der keine Kopien oder Notizen machen darf, das bewältigen?

Kekeritz: Genau so, wie die Frage lautet, ist auch die Antwort. Es ist klar, dass Sie sich da nicht mehr einarbeiten oder versteckte Informationen entdecken können. Der ganze Prozess muss demokratisiert werden. Einzelne Punkte müssen auch öffentlich diskutiert werden. Aber ich kann mir keine 17 Ordner ansehen mit Texten in kompliziertestem Juristen-Englisch. Das geht nicht.

Inzwischen gibt es auch Widerstand in den USA. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton hat sich überraschend sowohl gegen das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP wie gegen TTIP positioniert. Wie schätzen Sie das ein?

Kekeritz: Der Widerstand in den USA wächst sehr stark. Die Gewerkschaften, viele Zivilorganisationen sind massiv dagegen. Dass Hillary Clinton das jetzt aufgreift, zeigt, dass es auch in der Bevölkerung angekommen ist.

In Kanada ist mit Justin Trudeau gerade ein neuer Premier gewählt worden, der auch eine ganz andere Politik versprochen hat als sein konservativer Vorgänger Stephen Harper.

Kekeritz: Ich hoffe, dass er sich auch mit dem Thema Freihandelsabkommen auseinandersetzen wird, gerade weil Kanada sehr schlechte Erfahrungen mit dem Nafta-Abkommen mit den USA und Mexiko gemacht hat. Seit 1994 hat sich Kanada zu dem Land entwickelt, das die meisten Schiedsgerichtsverfahren durchlaufen und auch am meisten verloren hat. Die zahlen enorme Summen aufgrund dieses Handelsvertrages.

Das ganze Verfahren zieht sich stark in die Länge. Sowohl in Deutschland wie in den USA kommen wir in die Nähe der Wahlkampfzeit. Glauben Sie, dass das überhaupt noch über die Bühne geht?

Kekeritz: Also, wenn Ceta (das Abkommen der EU mit Kanada) nicht innerhalb eines Jahres abgeschlossen wird, gerät das in den Wahlkampf. Ich bin überzeugt, dass die SPD dann nicht mehr auf diesem Abkommen bestehen wird. Sie würde sich damit in der Wählergunst weiter nach unten katapultieren. Deswegen sehe ich das gar nicht so negativ. Ich denke, TTIP und Ceta lassen sich noch stoppen.

 

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