Portal analysiert Maßnahme

Warnungen ignoriert: Hat Christian Lindner beim Tankrabatt Milliarden an Steuergeldern riskiert?

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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16.4.2024, 19:00 Uhr
Christian Lindner: Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesminister der Finanzen.

© IMAGO/Revierfoto/IMAGO/Revierfoto Christian Lindner: Mitglied des Deutschen Bundestages und Bundesminister der Finanzen.

Ende Februar 2022 griff Russland auf Befehl von Präsident Wladimir Putin die Ukraine an und beendete damit Jahrzehnte des Friedens auf dem europäischen Kontinent. Durch die unsichere Lage und angekündigte Strafmaßnahmen gegen Russland - darunter ein Öl-Embargo - stiegen unter anderem die Kraftstoff-Preise in Deutschland drastisch an und erreichten Werte weit jenseits der 2-Euro-Marke.

Abhilfe schaffen sollte der sogenannte Tankrabatt - eine vom Finanzministerium unter der Führung von Christian Lindner (FDP) erdachte temporäre Reduzierung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Vom 1. Juni bis zum 31. August 2022 sanken dadurch die Abgaben auf Benzin um 29,55 Cent/Liter (von 65,45 Cent/Liter auf 35,9 Cent/Liter). Auf Diesel verringerte sich der Steuersatz um 14,04 Cent/Liter (von 47,04 Cent/Liter auf 33 Cent/Liter). Dem Staat entgingen dadurch Steuereinnahmen in Höhe von rund 3,4 Milliarden Euro.

Die Kritik an der Maßnahme war bereits im Vorfeld enorm: Von verschwendetem Steuergeld war die Rede, von ökologischem und ökonomischem Unsinn, von Fehlanreizen. Besonders groß war aber die Befürchtung, dass die Preise an den Zapfsäulen nicht im gleichen Verhältnis wie der Steuersatz sinken würden und sich dadurch die Mineralöl-Konzerne - mit Steuergeldern subventioniert - weiter die Taschen füllen.

Im Nachhinein zeigte sich: Diese Angst war offenbar unbegründet - zumindest weitgehend. So kam beispielsweise eine Forschergruppe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nach dem Ende der Maßnahme zu dem Ergebnis, "dass sich die Ölkonzerne nicht bereichert haben." Andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulierten ihr Fazit etwas weniger positiv, attestierten den Ölkonzernen aber, dass die steuerliche Entlastung "zumindest zu sehr großen Teilen" an die Konsumenten weitergegeben wurde.

Explizite Warnungen

Das hätte allerdings auch ganz anders laufen können, wie nun "FragDenStaat" aufdeckte. Das Portal analysierte Akten des Finanzministeriums und stellte fest: Niemand konnte garantieren, dass der Rabatt auch tatsächlich bei den Endkunden ankommt. Stattdessen gab es "explizite Warnungen, dass der Steuernachlass in den Kassen der Mineralölkonzerne versacken könnte."

So kursierte im Finanzministerium bereits im März ein warnendes Schreiben mit dem unmissverständlichen Hinweis: "Eine gesetzliche Verpflichtung der Wirtschaft auf Weitergabe des steuerlichen Vorteils an die Endverbraucher ist nicht möglich."

Auch das von der SPD geführte Arbeits- und Sozialministerium (BMAS) zeigte sich von Lindners Plänen irritiert: "Seitens BMAS wird die Umsetzung des Teils des Beschlusses des Koalitionsausschusses vermisst, wonach eine Weitergabe der Absenkung der Energiesteuer an die Verbraucherinnen und Verbraucher sichergestellt wird."

Ein Problem, für das sich Lindners Finanzministerium aber offenbar nicht zuständig fühlte und stattdessen die Verantwortung weiterschob: Es sei nicht die Aufgabe des Finanzministeriums, sicherzustellen, dass der gesenkte Steuersatz auch tatsächlich als Ersparnis bei den Konsumenten ankommt, schrieb das Ministerium sinngemäß. Verantwortlich dafür sei stattdessen die "Markttransparenzstelle für Kraftstoffe", die dem Bundeskartellamt und damit Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium untersteht.

War es also pures Glück, dass die großen Mineralölkonzerne im Jahr 2022 alleine in Deutschland "nur" rund 70 Milliarden Euro Gewinn gemacht und nicht auch noch die 3,4 Milliarden eingesteckt haben, die der Tankrabatt die Staatskasse gekostet hat? Offenbar ja, wie die von "FragDenStaat" analysierten Unterlagen nahelegen. Besonders, weil der Wettbewerb auf dem Tankstellenmarkt wegen eines Oligopols der großen Ketten "nur eingeschränkt" funktioniere, wie ein Vertreter des Kartellamtes rund einen Monat nach Beschluss des Tankrabatts zu bedenken gab.

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