Wenn der Sozialdemokrat plötzlich AfD wählt

20.4.2016, 05:57 Uhr
Seit Dezember vergangenen Jahres ist Katarina Barley Generalsekretärin der SPD.

© Eduard Weigert Seit Dezember vergangenen Jahres ist Katarina Barley Generalsekretärin der SPD.

Frau Barley, viele Menschen haben den Eindruck, dass sich die SPD nicht mehr um die Anliegen der kleinen Leute kümmert. Ein nicht geringer Teil dieser Menschen wählt nun die AfD. Erschreckt Sie das nicht?

Katarina Barley: Mich erschreckt das Wahlergebnis der AfD. Es stimmt, auch aus der SPD gibt es eine Wählerwanderung dorthin, wobei sich die Wählerschaft der AfD mehrheitlich aus anderen Gruppen rekrutiert. Ich sehe aber auch das, was wir in den letzten Jahren gemacht haben. Und wenn man sich das objektiv ankuckt, dann sind so viele ur-sozialdemokratische Projekte für die Normalbevölkerung durchgesetzt worden wie schon lange nicht mehr – Mindestlohn, abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren, Mietpreisbremse.

Gleichzeitig machen Sie in vielen Fällen keine sozialdemokratische Politik – in der Vergangenheit Hartz IV und Senkung des Rentenniveaus, in der Gegenwart setzt sich der SPD-Vorsitzende für TTIP ein.

Barley: Der erste Teil der Frage betrifft Dinge, die stammen aus einer anderen Zeit. Ich bin seit zweieinhalb Jahren im Bundestag und erlebe eine SPD, die eine Politik macht für die, die Sie kleine Leute genannt haben. Natürlich kann man immer wieder und wieder darüber reden, was vor zehn Jahren war. Man muss aber das beurteilen, was jetzt auf dem Tisch liegt.

Auf dem Tisch liegt ja unter anderem das Freihandelsabkommen TTIP. Wissen Sie nicht, wie das ankommt bei Arbeitern und Angestellten?

Barley: Die Frage ist, ob diese Diskussion wirklich von den Arbeitern und Angestellten geführt wird. Klar ist: Deutschland ist eine Exportnation. Und Regeln für Handel zu formulieren, ist ja nicht verkehrt. Die SPD hat klar gesagt, was in TTIP und Ceta (Handelsabkommen mit Kanada, d. Red.) stehen muss und was nicht drin stehen darf. Nur wenn unsere Bedingungen erfüllt sind, werden wir zustimmen.

Umfragen sehen Ihre Partei bei 20 Prozent. Ist die SPD noch eine Volkspartei?

Barley: Die SPD ist eine Volkspartei. Wir decken die gesamte Bandbreite der Bevölkerung ab – vom Stahlarbeiter bis zum Manager, von der Hausfrau bis zum Hartz-IV-Bezieher.

Dann können Sie ja auch mit 15 Prozent in Umfragen noch darauf hinweisen, dass die SPD Volkspartei ist, weil in diesen 15 Prozent das ganze Wählerspektrum zu finden ist. Aber Sie müssen doch allmählich mit einem Konzept gegen den Abwärtstrend antreten.

Barley: Umfragedebatten entwickeln schnell eine Eigendynamik. Da müssen wir rauskommen. Wir konzentrieren uns manchmal zu stark auf einzelne Maßnahmen, mit denen wir das Leben der Menschen verbessern. Damit das bei den Leuten ankommt, müssen wir aber auch die Geschichte, die hinter unser Politik steht, erzählen.

Also hat die SPD ein Kommunikationsproblem?

Barley: Wir können darin besser werden. Dort sehe ich auch meine Aufgabe.

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