Wo Kaiser Karl den Ton angibt

20.1.2012, 16:21 Uhr
Wo Kaiser Karl den Ton angibt

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Ein weiß gepuderter Haarzopf, brauner Teint, dunkle Sonnenbrille und schmale Silhouette - das kann nur er sein: Karl Lagerfeld. Dieser Mann hat nicht nur einer Marke, Chanel, zur neuen alten Größe verholfen, er ist selbst eine. Hingebungsvoll inszeniert er sie - und sich. Und wenn ab 23. Januar bei den Haute Couture-Schauen in Paris präsentiert wird, welche Trends das neue Damen-Modejahr bestimmen, dann wird Karl Lagerfeld für Chanel einmal mehr er den Ton angeben. Es gehört neben Dior, Valentino oder Jean Paul Gaultier zu den wenigen renommierten Häusern, die vom Pariser Modeverband anerkannt sind, Haute Couture herzustellen und dessen strengen Vorschriften entsprechen. Im Gegensatz zur Prêt-à-Porter-Mode handelt es sich um maßgeschneiderte Luxus-Kreationen, bei denen der Vorzeige-Effekt wichtiger ist als die Tragbarkeit oder gar Alltagstauglichkeit.

Haute Couture, das ist eine große Show, beste Unterhaltung - auch dank Lagerfeld. Ob er als Kulisse eine glitzernde Eis-Welt erschafft oder ein üppig-idyllisches Landleben nachzeichnet, die Chanel-Défilés gelten stets als Höhepunkte. Wegen ihres extravaganten Rahmens zum einen, dank der erstklassigen Kreationen zum anderen, die fantasievoll sind und doch stets der klassischen Chanel-Linie treu bleiben. Selten wagt Lagerfeld Farb-Experimente, immer kehrt er zurück zum Chanel-Tweed.

Stars von Madonna bis Claudia Schiffer, die er einst entdeckte, setzen auf Chanel. Und so wie Lagerfeld dessen Image als Modehaus erster Klasse pflegt, so pflegt er auch sein eigenes - als Modezar der Sonderklasse: provokant, egozentrisch, unberechenbar. Von sich reden zu machen stellt die Erfolgsbasis des umtriebigen Geschäftsmannes dar, der die Kunst- und Künstlerfigur namens "Kaiser Karl" eben auch ist. In Hamburg geboren, machte er aus seinem Geburtsdatum ein Mysterium mit der Begründung, seine Mutter habe die Urkunde vernichtet. Es war wohl eher 1933 als 1938, wie er lange behauptete - doch Karl Otto Lagerfeld ist ohnehin zeitlos. Jung kam er nach Paris, wo Pierre Balmain bei einem Wettbewerb auf das Ausnahme-Talent aufmerksam wurde und sofort anstellte. Anschließend wurde Lagerfeld künstlerischer Direktor bei Jean Patou, dann bei Chloé, arbeitete für wechselnde Häuser und sein eigenes Label, auch seit er 1983 zu Chanel kam.

Seit jeher bekannt als disziplinierter Workaholic, schafft Lagerfeld heute im Jahr neben acht Kollektionen für Chanel und zwei für Fendi vier für seine eigene Marke, die neuerdings "Karl Lagerfeld Paris" heißt. Und damit nicht genug, er belässt es sich bei der Couture: Er hat Hotels in Dubai, Teddybären, Bühnenkostüme, Schmuck und Cola-Flaschen entworfen, Parfums herausgebracht, sich als sporadischer Zeitungsredakteur betätigt, Foto-Bücher herausgegeben und Autowerbung gemacht. Nebenbei gibt der Tausendsassa der Mode- und Design-Szene noch unermüdlich Interviews, dank seiner respektlos-frechen Aussagen, ja Aphorismen ein beliebter Gesprächspartner. "Glücklich sein? Nein, so ehrgeizig bin ich nicht", sagte er etwa.

Große Kritik bringt ihm, der in einem Jahr 42 Kilogramm abgenommen hat, angeblich um in Anzüge von Hedi Slimane zu passen, der Einsatz spindeldürrer Models und das Herunterspielen von Magersucht ein. Auch dafür hat er einen Spruch parat. "Diät ist das einzige Spiel, bei dem man gewinnt, wenn man verliert." Streitbar zu sein, das gehört zu Lagerfelds Markenzeichen.

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