Würdige Bedingungen am Lebensende

19.10.2016, 09:54 Uhr
Würdige Bedingungen am Lebensende

"Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen." So lautet der zentrale Satz einer Charta, die inzwischen 17 000 Einzelpersonen und Organisationen in der Bundesrepublik unterschrieben haben. Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der diesem Satz nicht zustimmt. Schließlich weiß jeder, dass ihm dieser letzte Weg selbst einmal bevorsteht. Die Frage ist allerdings, was man denn genau unter "würdigen Bedingungen" in den letzten Wochen, Tagen und Stunden des Lebens versteht.

Darüber haben drei Fachverbände (Gesellschaft für Palliativmedizin, Hospiz- und Palliativverband, Bundesärztekammer) mit anderen Fachleuten diskutiert und ein Ergebnis vorgelegt. Die von ihnen empfohlene nationale Strategie soll dafür sorgen, dass es nicht mehr oder weniger vom Zufall abhängt, ob man in einer Stadt mit guter Sterbebegleitung lebt oder nicht. Es sollen Standards festgelegt werden, die überall gelten.

An erster Stelle steht das Bestreben, dass der Sterbende - so lange das nur irgend möglich ist - selbst bestimmen soll, wie mit ihm umgegangen wird. Außerdem sollen die Angehörigen, wenn möglich und gewünscht, einbezogen werden. Mit anderen Worten: Sie sollen mitzureden haben.

Ein ganz wichtiger Aspekt, so die Palliativmediziner: Die Betreuung soll überall ein möglichst hohes Niveau erreichen. Egal, ob der Kranke im Klinikum, im Pflegeheim, im Hospiz oder daheim bei seinen Angehörigen untergebracht ist, er soll an dem jeweiligen Ort angemessen versorgt werden können. Davon ist Deutschland ein Jahr nach dem Beschluss des Bundestages über ein Hospiz- und Palliativgesetz immer noch weit entfernt.

Schließlich gehören zur nationalen Strategie auch noch zwei andere Aspekte: die laufende Fortbildung von Ärzten und Pflegern und ein Wandel der gesellschaftlichen Einstellungen. Mit letzterem ist gemeint, dass Aufwendungen (finanzieller und sonstiger Art) für einen Menschen in der letzten Lebensphase nicht als "Fehlinvestitionen" betrachtet werden - nach dem unausgesprochenen Motto, der Betroffene "bringe" der Gesellschaft ja "nichts mehr".

In den Niederlanden sorgt unterdessen eine ziemlich radikale Reform des 2002 beschlossenen Gesetzes zur Sterbehilfe für Debatten. Damals hatte man den Weg frei gemacht für den begleiteten Suizid, allerdings lediglich in Fällen unheilbarer Krankheiten. Davon machten im vergangenen Jahr im ganzen Land 5516 Menschen Gebrauch.

Nun wird das alles noch einmal einen deutlichen Schritt weiter gehen. Es soll nämlich auch älteren Frauen und Männern ohne lebensbedrohliche Krankheit der assistierte Suizid per Injektion ermöglicht werden. Dazu würde es nach den bisherigen Entwürfen ausreichen, wenn - zum Beispiel - ein sehr gebrechlicher Mensch nach einem "erfüllten Leben" sich unbeeinflusst, freiwillig und andauernd den Tod wünscht.

Enorme Brisanz

Weil die Regierung sehr wohl erkennt, welch enorme Brisanz in dem Thema steckt, man denke nur an die Euthanasie (die massenhafte Ermordung Kranker und Behinderter) im Deutschland des Nationalsozialismus, bemüht sie sich um eine Beruhigung der Gemüter. Das alles werde selbstverständlich nur unter "strengen Bedingungen" stattfinden, erklärten die zuständigen Minister für Gesundheit und Justiz.

Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml hat das Vorhaben der Niederländer heftig kritisiert. Es handle sich "um einen gefährlichen Irrweg", sagte sie. Alte Menschen könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, weil sie den Jüngeren nicht zur Last fallen wollen.

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