Zeitreisen ins alte Rom und in die Mongolei

4.5.2016, 18:10 Uhr
Zeitreisen ins alte Rom und in die Mongolei

© Michael Matejka

Es gibt kaum eine Epoche, mit der sich Schriftstellerin Tanja Kinkel in ihren historischen Romanen noch nicht befasst hat. Jedes Mal taucht sie tief in die Vergangenheit ein. Es entstehen Geschichten, die eine Mischung aus akkurater Historie und fiktiver Handlung sind – also Stoff, der schon einmal 900 Seiten lang ist.

Und obwohl sie sich im alten Rom ebenso auskennt wie im Mittelalter zu Zeiten der Minnesänger oder während der Regentschaft von Dschingis Khan, lebt die 46-Jährige völlig im Hier und Jetzt – auch medial: Dabei ist sie nicht nur auf Facebook und Twitter unterwegs, sondern liest selbstverständlich regelmäßig Zeitung, unlängst auch probeweise das E-Paper der NZ. Ein Grund mehr, bei der Nürnberger Zeitung einmal hinter die Kulissen zu blicken: Druckmaschinen, riesige Papierrollen, Sortier- und Verladestationen. Das kannte Tanja Kinkel bislang nur aus Dokumentationen und erlebt es jetzt live und in Farbe im Nürnberger Druckhaus, geführt von NZ-Chefredakteur Raimund Kirch.

Bei der anschließenden Mittagskonferenz übt die gut informierte Leserin und Autorin nicht nur (konstruktive) Blattkritik, sondern berichtet auch über ihr eigenes Arbeiten, bei dem sie sich, anders als die Journalisten, Zeit lassen kann. Eineinhalb Jahre betreibt Tanja Kinkel intensive Nachforschungen und bringt dann innerhalb von sechs Monaten ihren Roman zu Papier – zuletzt „Schlaf der Vernunft“, die Aufarbeitung des RAF-Terrorismus aus Sicht fiktiver Betroffener. Wie sie zu ihren Themen gelangt? „Mal ist es ein visueller Auslöser, oder eine Diskussion im Freundeskreis“, beschreibt Tanja Kinkel die Initialzündungen, aus denen dann Bücher entstehen. So inspirierte sie der Besuch der spanischen Stadtburg Alhambra zu ihrem Roman „Mondlaub“, der im Andalusien des 15. Jahrhunderts spielt.

„Meine erste Anlaufstelle für meine Recherchen ist die Münchner Staatsbibliothek“, erklärt die Autorin. Sie studiert ihre Quellen in verschiedenen Sprachen und muss dabei auch ganz praktische Dinge herausfinden: Was wurde einst gegessen? Welche Kleidung trug man? Was waren die Gewohnheiten der Menschen? Wie sprachen sie miteinander? Auch liest sie gern, was die Opponenten ihrer mitunter echten Figuren über diese zu sagen haben. Auch befragt sie Zeitzeugen, was bei ihrem letzten RAF-Roman möglich war.

Und: Sie reist zu den Orten, wo ihre Geschichten spielen. Das führte sie mehrfach nach Italien, aber auch in die Mongolei oder nach USA. In Kalifornien lebte und arbeitete sie in den 90er Jahren als Stipendiatin einige Monate in der berühmten Villa Aurora in Los Angeles, die einst dem deutsch-jüdischen Schriftsteller Leon Feuchtwanger gehört hatte. Über sein Werk promovierte Tanja Kinkel, die als Schriftstellerin aber ihren Doktortitel lieber weglässt. „Meine Mutter freut sich eher an dem Titel als ich.“

Im Palazzo von Giacomo Casanova

Man könnte Tanja Kinkel stundenlang zuhören, wenn sie detail- und gestenreich über ihre Bücher spricht, über ihre Zeitreisen, Figuren und fremde Länder. Über die vielen Begegnungen und Begebenheiten in ihrer 25-jährigen Karriere. Etwa wie sie in Venedig, Bologna und Neapel für ihren italienischen Rokoko-Roman „Verführung“ auf Spurensuche ging und anschließend ein tolles Angebot bekam: „Ich habe in einem venezianischen Palazzo, in dem einst Giacomo Casanova lebte, Haus-Sitting machen dürfen!“, schwärmt sie. Auch bei ihrer Reise durch die mongolische Steppe für ihren Asienroman „Manduchai“, der uns 550 Jahre zurückversetzt, erlebte sie so manches Abenteuer. Eines davon war der Besuch des Nadam-Fests in Ulan Bator, wo Sportler beim Bogenschießen, Ringen und Pferderennen gegeneinander antreten. Aber auch der Genuss von Stutenmilch ist ihr in Erinnerung geblieben: „Die Menschen dort lieben das. Geschmacklich handelt es sich um eine Kreuzung aus Yoghurt und Sekt mit einem Unterton von Mandeln.“

Dass sich Tanja Kinkel immer wieder mit historischen Themen und Schauplätzen befasst, liegt auch an ihrer Heimatstadt Bamberg, wie sie sagt: „Geschichte war nie etwas Distanziertes für mich, sondern etwas, dem ich schon als Kind täglich begegnet bin.“ Allein der Weg durch die Altstadt zur Domschule und später zum Kaiser-Heinrich-Gymnasium – der ältesten höheren Schule in Bamberg– war prägend. Hier leben noch ihre Eltern und hier hat sie immer wieder beruflich zu tun, wie kürzlich, als das PEN-Zentrum in Bamberg tagte, dessen Mitglied sie ist. Auch die Brose Baskets und die Bamberger Symphoniker locken Tanja Kinkel immer wieder in die alte Heimat. „Bamberg bietet selbst bei Regen ein ästhetisches Erlebnis.“

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