Zensus 2011: Ab Dienstag rücken die Befrager aus

9.5.2011, 13:44 Uhr
Zensus 2011: Ab Dienstag rücken die Befrager aus

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Achim Mletzko erinnert sich gut an die Volkszählung 1987 in der Bundesrepublik. Der Nürnberger gehörte zu den vielen Gegnern der umstrittenen Bürgerbefragung — und zu denen, die sie auf ihre Art boykottierten. Mletzko gab etwa in dem Erhebungsbogen an, dass er mit sieben Hunden in der Wohnung lebe. „Dabei mag ich keine Hunde“, gesteht der Stadtrat der Grünen die falsche Angabe heute ein. Doch der Widerstand gegen den „umfangreichen staatlichen Datenmissbrauch“, der sei gerechtfertigt gewesen.

Nun, 24 Jahre später, findet erstmals im wiedervereinigten Deutschland eine Volkszählung statt. Aber unter ganz anderen Vorzeichen. Nicht mehr die gesamte Bevölkerung wird befragt, sondern nur noch bis zu einem Zehntel zufällig ausgesuchte Bürger. In Nürnberg sind 22.500 Bewohner, in Fürth 6800 betroffen. In ganz Bayern sind es 1,2 Millionen Menschen. Hinzu kommen alle Besitzer von Häusern und Wohnungen. Auch in Alten- oder Studentenwohnheimen oder in Gefängnissen werden Bewohner befragt. Ergänzt werden die Erkenntnisse durch Daten aus den Melderegistern der Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit.

Ab 10. Mai rücken beispielsweise in Nürnberg und Fürth 300 „Erhebungsbeauftragte“ aus, um die ausgewählten Haushalte aufzusuchen. „Sie müssen sich ausweisen und dürfen nur auf Aufforderung die Wohnung betreten“, betont Wolf Schäfer, Leiter des statistischen Amts der Städte Nürnberg und Fürth. Nur Name, Geburtsdatum, Geschlecht und Zahl der Personen im Haushalt müssten den Interviewern mitgeteilt werden.

Der zehnseitige Fragebogen kann auch ohne ihre Hilfe ausgefüllt und zurückgeschickt oder im Internet erledigt werden. Die Fragen reichen vom Familienstand und Zuwanderung aus anderen Ländern über Bildung und Berufstätigkeit bis hin zur Religionszugehörigkeit. Kritiker halten diese Frage für überflüssig. Wohl auch deshalb sind Angaben hierzu freiwillig, soweit es sich nicht um die Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft handelt. Wer also zu einer islamischen Glaubensrichtung gehört, muss bei der Frage 8 keine Angaben machen.

Ansonsten besteht Auskunftspflicht, so Schäfer. Wer, wie 1987 Achim Mletzko, bewusst falsche Daten einträgt oder den Bogen erst gar nicht ausfüllt, muss mit Konsequenzen rechnen. Der begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss ein Zwangsgeld fürchten, wenn auch Erinnerungsschreiben und Mahnung ignoriert werden, erklärt Michael Fürnrohr vom Statistischen Landesamt. „Ich bin damals noch ungeschoren davongekommen“, so Mletzko.

Verständnis für das Misstrauen der Bürger

Anders als bei der Volksbefragung 1987 gibt es im Zeitalter von Facebook mit freiwilliger Preisgabe persönlicher Daten im Internet keinen großen Protest gegen den Zensus. Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“ war mit einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen gescheitert. „Ich habe Verständnis für das Misstrauen der Bürger“, räumt Schäfer ein. Er verweist aber auf strenge Datenschutzbestimmungen.

So müsse keiner damit rechnen, dass der Nachbar als Interviewer vor der Tür stehe. Auch GEZ-Eintreiber wurden nicht zugelassen. Wer beim Sozialamt arbeite, werde nicht eingesetzt, um nicht zufällig auf Klienten zu stoßen. Die „Erhebungsstellen“ in den Kommunen seien technisch und personell „abgeschottet“, ein Austausch mit anderen Dienststellen nicht möglich. Alle persönlichen Angaben der Befragten müssten streng geheim gehalten werden. Die Daten würden aber gebraucht, etwa um den aktuellen Bevölkerungsstand zu ermitteln, den Bedarf für Schulen, Studienplätze oder Seniorenheime zu planen. Gut möglich, dass in Nürnberg weniger Menschen leben als erfasst und in Fürth mehr, so Schäfer.

Achim Mletzko ist dennoch gegen den Zensus. „Die Frage der Datensicherheit ist nicht abschließend gelöst. Jedes System ist zu knacken“, gibt er zu bedenken. Der Stadtrat ist aber auch nicht unter den Befragten. Und die Nummer mit den Hunden, die ist jetzt eh bekannt.

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