(R)adel verpflichtet

22.9.2011, 14:22 Uhr
(R)adel verpflichtet

© Eisele-Hein

Etappe 1: Neustrelitz am Zierker See. Der Startschuss zu unserer Tour de Müritz ertönt in der Orangerie, einem prächtigen Skulpturengarten. Durch eine unberührte Sumpf- und Moorlandschaft radeln wir auf breiten Radwegen schnurstracks nach Osten, direkt auf die Müritz zu. Wenn wir den Bodensee außer Acht lassen, den wir uns mit unseren Nachbarn teilen, ist die Müritz der größte Binnensee Deutschlands.

Die Strecke durch den 318 Quadratkilometer großen Müritz-Nationalpark ist vorbildlich beschildert. Es gibt kaum Berührungspunkte mit dem Straßenverkehr. In Boek strecken wir zum ersten Mal die Füße in die noch warmen Fluten. Gerade noch sieht man andere Ufer — die Müritz ist hier enorm breit.

Im geschäftigen Hafen von Waren wird für allerlei Bootstouren geworben. Hobbyseeleute und Freizeitkapitäne können hier im Handumdrehen sogar ihre Binnenschifffahrtslizenz erwerben. Der Radweg folgt dem Ufer. Bei der Feriensiedlung Klink leuchtet der Sandstrand schon im Abendlicht. Die gemütlichen Strandkörbe werden von einem zarten Rosa umspielt. Ein letztes Mal die Füße im mecklenburgischen Meer gekühlt. Keine fünf Kilometer weiter erwartet uns das mondäne Schloss Klink.

Etappenziel: Gutshof Sparow

Etappe 2: So ein opulentes Frühstücksbuffet kann einem die ersten Kilometer vergällen. Zunächst strampeln wir am Westufer der Müritz bis nach Röbel entlang. Auch wenn noch einige Unentwegte im Wasser sind: Schwimmen fällt aus, ein voller Bauch schwimmt nicht gern. Dann geht es wieder Schlag auf Schlag: Die Gutshäuser Ludorf, Leizen, Woldzegarten liegen alle wie Perlen einer Kette in herrlicher Kulturlandschaft.

Die Malchower Brücke bringt uns über die Ausläufer des Fleesensees zum Etappenziel für heute: dem Gutshof Sparow. Die Anlage wurde stilvoll auf Vordermann gebracht, da stimmt jeder Pinselstrich. Aus der Jägerstube duftet es bereits verführerisch.

Etappe 3: Sie führt uns direkt durch den Naturpark Nossentiner und Schwinzer Heide. Auffällig: Es fehlen nur die ansonsten so zahlreichen Seen. Dafür fühlen wir uns inmitten dieser unbelasteten Kiefernheide, als führen wir durch eine frisch geöffnete Packung Hustenbonbons. Schon kommen weitere Schlösser in Sicht: Ulrichshusen — das Renaissance-Schloss der großen Adelsfamilie von Maltzahn, Schloss Schorssow — ein klassizistischer Dreiflügelbau. Die Burg Schlitz — ein prächtig weißes, ebenso klassizistisches Meisterwerk mit seinem Jugendstilbrunnen.
Der Endspurt bringt uns vom Malchiner See durch den Höhenzug der Mecklenburgischen Schweiz zunächst nach Teterow, zum geografischen Mittelpunkt Mecklenburg-Vorpommerns.

Nach bald 80 hügeligen Kilometern ergibt sich im Golf- und Wellnesshotel Schloss Teschow ein Luxusproblem. Wo sollen wir essen? Im Chez Lisa, einem französischen Feinschmeckertempel, mediterran im Levantino? Oder wollen wir nicht doch das scharfe Kontrastprogramm im thailändischen Sukhothai wählen?

Märchenlandschaft und Currywurst

Etappe 4: Der Schlösserreigen geht munter weiter. Heute stehen die Burg Stavenhagen und das Schloss Kittendorf auf dem Programm. Stavenhagen ist obendrein die Geburtsstadt Fritz Reuters, des wohl berühmtesten Dichters der niederdeutschen Sprache. Er erblickte 1810 im heutigen Rathaus das Licht der Welt. Es fungiert mittlerweile auch als Museum, wo in 13 Räumen Reuters Leben und Schaffen nachgezeichnet wird.

Vom Stadtzentrum führt ein schöner Abstecher nach Yvenack. Dort führt eine gleichmäßig geschotterte Piste durch einen wahren Zauberwald. Hier könnte man locker Jurassic Park IV drehen. Die Yvenacker Eichen sind zum Teil schon über 1000 Jahre alt. Ihr Stammumfang erreicht bis zu elf Meter, ein europäischer Rekord!
Spät noch machen wir einen Riesensatz durch die Märchenlandschaft. Dank eines sportlichen Stundenschnitts dürfen wir das Romantikschloss Groß-Plasten noch im Abendlicht erleben.

Etappe 5: Neubrandenburg liefert den ersten Paukenschlag der letzten Etappe. Der 40 Hektar große Stadtkern wird von der besterhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer Norddeutschlands umrahmt. Die prächtigen Tore in Backsteingotik sorgten für den Beinamen „Stadt der vier Tore“. Die Räder laufen prima, die Sehenswürdigkeiten sind wieder einmal beeindruckend.

Unsere (R)adel-Tour neigt sich dem Ende zu. Zur besseren Akklimatisierung an unser normales Dasein kaufen wir uns zur Pause am Büdchen Currywurst und Fritten. Burg Stargard, Groß Nemerow, Schloss Hohenzieritz: Ein letztes Mal schimmert das Blut in unseren Schenkeln bläulich.

Zum Abschied setzen wir uns nach knapp 70 Kilometern nochmals in die Neustrelitzer Orangerie. Ab morgen weicht die Samttapete wieder der Raufaser. Die Geschirrspülmaschine müssen wir auch wieder selbst ausräumen. Der Kühlschrankinhalt wird mit den Buffets nicht ganz mithalten können: So fulminant der Aufstieg in die Welt des Adels war, so bitter wird die Rückkehr in die Normalität.

Weitere Informationen zum Reiseziel

Charakter: Die Mecklenburgische Seenplatte bietet unzählige Varianten für Radfahrer. Zudem laden über 1000 kleine und große Seen zum Baden ein. Das Netz an Radwegen mit Motto (Schlösser und Burgen, Eiszeitroute, Tollensetal Rundweg... ) ist überwältigend. Die Infrastruktur für Radfahrer ist vorbildlich, u.a. können im Nationalpark Räder auch jederzeit in den Nationalparkbus (mit Radanhänger) geladen werden. Das Preisniveau ist nach wie vor günstig. Selbst die Übernachtung in Burgen und Schlössern sprengt keinen Geldbeutel. Daneben gibt es natürlich auch zahlreiche bürgerliche Unterkünfte mit guter Küche. Die Streckenbeschaffenheit variiert von perfektem Asphalt bis zu Waldpassagen mit vernünftigem Untergrund oder Schotter. Selbst die Steigungen in der Mecklenburgischen Schweiz (höchste Erhebung der Hardtberg mit 124,5 Metern) sind für jedermann machbar.
Die Route: ca. 380 km
Übernachtungen: www.schlosshotel-klink.de, www.hotel-gutshof-sparow.m-vp.de, www.schloss-teschow.de,www.schlosshotel-grossplasten.de, www.hotel-schlossgarten.de
Internet-Tipps und Auskunft: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Platz der Freundschaft 1, 18059 Rostock, Tel. 0381/4030500, www.auf-nach-mv.de, www.mecklenburgische-schweiz.com www.mecklenburgische-seenplatte.de
www.nationalparkticket.de für den Müritz-Nationalpark;
Literatur/Karten: Hildegard und Wolfgang Frey, Kompass Radwanderführer "Mecklenburg-Vorpommern", 215 Seiten, 11,95 Euro, ADFC Regionalkarte Mecklenburgische Seenplatte 1: 75000, 6,80 Euro; J. Skerl, Th. Grundner, Schlösser und Gärten in Mecklenburg-Vorpommern, 120 Seiten, 19,90 Euro, schön bebildert, sehr informativ.
Empfehlenswerte Veranstalter: www.mecklenburger-radtour.de bietet die größte Auswahl an Touren u.a. auch eine ähnliche Schlösserrunde an, aber auch www.rueckenwind.de, www.velociped.de, www.velotours.de, www.fahrradreisen.de steuern die Müritz an. Norbert Schipke, www.bluecherhof.de bietet Übernachtungen, Kultur- und Radführungen
Anreise: Neustrelitz und auch Waren sind direkt mit der Bahn (meist über Berlin) zu erreichen, www.bahn.de, Hotline 01805/151415 für Radler.
Beste Reisezeit: Mai bis September, im goldenen Oktober können die Bäume richtig bunt werden.
Radshops und Reparaturen: In sämtlichen größeren Ortschaften finden sich gut sortierte Radfachgeschäfte mit Werkstätten und an sämtlichen touristischen Knotenpunkten Radverleiher, die meist auch Service bieten, z.B. www.zweirad-karberg.de, Lange Str. 46 in Ware.

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