Altbekanntes Phänomen

Dating-Begriff Delusionship: Was ist das – und wann wird es zum Problem?

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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30.4.2024, 17:18 Uhr
Wenn man jemanden anhimmelt und dieser Mensch die Gefühle nicht erwidert, fühlt man sich oft mindestens so einsam wie dieser traurige Mann auf einer Schaukel am Meer. (Symbolbild)

© Jeerawatstock/shutterstock.com Wenn man jemanden anhimmelt und dieser Mensch die Gefühle nicht erwidert, fühlt man sich oft mindestens so einsam wie dieser traurige Mann auf einer Schaukel am Meer. (Symbolbild)

Im Grunde genommen ist der Begriff sogar noch deutlich mehr als nur eine aktuelle Bezeichnung für ein altbekanntes Phänomen (und manchmal Problem): Er repräsentierte lange Zeit die Basis für ein äußerst einträgliches Geschäftsmodell der Musikindustrie. Gäbe es nämlich keine Delusionship, hätten durchgeplante Kunstprodukte wie die New Kids on the Block, Take That oder die Backstreet Boys wohl nie existiert – ebenso wie andere der unzähligen (und mittlerweile vergessenen) Boy-Bands, die es einmal gab.

Die Bedeutung von "Delusionship"

"Delusionship" ist ein englisches Kofferwort, das sich aus den Wörtern "Delusion" und "Relationship" zusammensetzt. Wobei "Delusion" erst einmal negativ klingt, denn wörtlich bedeutet es "Täuschung" und im Plural sogar "Wahnvorstellungen". Im Grunde ist mit Delusionship aber einfach nur gemeint, dass man jemanden nicht nur anhimmelt, sondern auch gleich eine Beziehung mit der Person führt - allerdings nur im eigenen Kopf.

Bei dem angehimmelten Menschen muss es sich aber natürlich nicht zwangsläufig um das unerreichbare Mitglied einer Boygroup handeln, sondern es kann auch ein Bekannter, die Barista im Café um die Ecke oder der Paketbote sein – oder auch einfach jemand, den man zufällig jeden Morgen auf dem Weg in die Arbeit in der U-Bahn sieht.

Wenn man in einer solchen Situation nicht über seinen Schatten springt und den Kontakt zum entsprechenden Menschen sucht, besteht die Möglichkeit, dass sich eine (harmlose) Schwärmerei in eine Delusionship verwandelt.

Delusionship: Das sind die Anzeichen

Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass man "delulu" ist:

  • Man fantasiert übers Zusammensein mit der entsprechenden Person – und das so häufig und intensiv, dass man teilweise kaum noch etwas von seiner Umwelt mitbekommt. In diesen Fantasien idealisiert man den Menschen auf eine Weise, mit der er oder sie, sollte es doch mal zu einem Date kommen, niemals mithalten kann.
  • Man kennt kaum noch andere Interessen, was dazu führt, dass man in Gesprächen mit Freunden oder Freundinnen früher oder später (meist eher früher) die Unterhaltung auf den oder die Angebetete(n) lenkt.
  • Man vermeidet Dates mit real interessierten Personen – einfach nur, um für den Traumprinzen oder die Traumprinzessin verfügbar zu sein, sollte er oder sie plötzlich doch Interesse zeigen.

Delusionship: Was sind die Gefahren?

All das ist noch nicht automatisch ein Problem, schließlich kennen wohl die meisten Menschen solche Zustände – beispielsweise aus ihrer Pubertät. Schwierig wird es allerdings, wenn man immer mehr Teile des eigenen Lebens (und der Gedankenwelt) auf diese Person ausrichtet, die man nur oberflächlich oder gar nicht kennt - und welche die entgegengebrachten Gefühle nicht erwidert.

Schließlich droht hier nicht nur ein permanenter Zustand des Herzschmerzes und der Enttäuschung, sondern es besteht auch die Gefahr, den Kontakt zur Realität zu verlieren. Entsprechend schwierig kann es sein, sich aus diesem Zustand wieder zu lösen und den Weg zurück in die Wirklichkeit zu finden.

Übrigens, auch wenn der Beginn dieses Textes den Eindruck vermitteln mag: Delusionships gibt natürlich nicht erst seit der Boygroup-Zeit. So gibt es beispielsweise zahlreiche Filmaufnahmen von Auftritten der Beatles, auf denen die Band kaum zu hören ist, weil hunderte oder gar tausende Frauen so laut kreischen, dass sie die Musik übertönen (PA-Anlagen, also die teilweise riesigen Lautsprecher-Türme, ohne die heute keine Band auskommt, existierten damals noch nicht). Das Phänomen gibt es also schon deutlich länger, wenn nicht sogar seit Anbeginn der Menschheit. Es hatte nur bislang keinen Tiktok-tauglichen Namen.

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