Neustadt: 1965 geschlossene Schmiede öffnet am Denkmaltag

31.8.2015, 09:47 Uhr
Neustadt: 1965 geschlossene Schmiede öffnet am Denkmaltag

© Harald Munzinger

Einen Höhepunkt bietet zweifellos der Blick in die Köstner’sche Schmiede in Neustadt, die nach 50 Jahren erstmals wieder ihr großes Tor in der “Schmiedegasse” öffnet. Dies ermöglicht von 11 bis 15 Uhr einen imposanten Rückblick auf das Wirken im Erdgeschoss des stattlichen Anwesens, in dem Georg Köstner bis 1965 die Werkstatt betrieb.

Seitdem wurde in ihr nichts verändert, so dass nach Feststellung des Landesamtes für Denkmalpflege “die technischen Einbauten und die Schmiedewerkzeuge ein anschauliches technikgeschichtliches Zeugnis für das Schmiedehandwerk darstellen“.

Werkzeuge selbst gefertigt

Die historischen Werkzeuge um Esse und Amboss in der ehemaligen Schmiede der Familie Köstner stammen zum Großteil aus den Anfängen um 1856/57, als Andreas Schicketanz erstmals eine Schmiedewerkstatt einrichtete. Die Schmiede hätten ihre Werkzeuge nach ihrem Bedarf stets selbst gefertigt, weiß Nachfahre Georg Köstner zu berichten, für den es, ebenso wie für weitere Familienmitglieder, nie ein Thema war, die Werkstatt für andere Zwecke zu räumen, so dass sie im Originalzustand erhalten geblieben ist und auch bleiben soll.

Somit bietet Neustadt am “Tag des offenen Denkmals” ein “industriegeschichtliches Kleinod” mit einer Schmiede, die nicht schon 1965 ihren Betrieb eingestellt hatte, sondern noch bis zur Kohle auf der Esse und dem für die Arbeiten mit dem glühenden Eisen bereit liegenden Werkzeug völlig intakt geblieben ist. So könnte sie bei entsprechender Konstellation mit der Stadt sowie dem Geschichts- und Heimatverein auch über den Aktionstag hinaus eine attraktive Dependance des Museums werden. Eine Option in die Zukunft der Schmiede für Georg Köstner, dessen Söhne ebenfalls den wertvollen Schatz der Erinnerung an die Groß- und Urgroßeltern und das Fundament der Firmengeschichte in dem Haus erhalten wollen, in dessen Obergeschossen hinter historischer Fassade Wohnungen modernisiert wurden. Die geräumige Werkstatt einer anderen Nutzung zuzuführen, war nie eines und soll auch weiter kein Thema sein, erklärte Georg Köstner beim nordbayern.de-Hausbesuch.

Kühlwein zeigt Hausgeschichte auf

Der Historiker Heinz Kühlwein hat die Geschichte des Anwesens Schmiedegasse 2 in Neustadt erforscht, die diese Bezeichnung 1909 mit der Einführung offizieller Straßennamen erhalten hatte, die in der Bevölkerung in Bezug auf die Schmiede indes schon zuvor gebräuchlich gewesen sei. Die Jahreszahl 1801 oberhalb des rechten Torbogens weist den Bau des zweigeschossigen Mansarddachhauses aus, in dessen Erdgeschossgewölbe der Bauherr und Kaufmann Haßler sein Warendepot hatte.

Nach Kühlweins Recherchen war in dem Gebäude von 1852 bis 1871 auch die Druckerei der damaligen “Neustädter Zeitung” untergebracht, ehe diese eigene Geschäftsräume nahe dem Nürnberger Tor bezog. Mitte der 1850er Jahre begann die Geschichte der Schmiedewerkstatt, die der Schmied Andreas Schicketanz im Gewölbe des von den Haßlererben erworbenen Gebäudes nebst Wohnzimmer und Küche eingerichtet hatte. Sohn Heinrich Schicketanz verkaufte das Schmiedeanwesen Ende 1905 an Georg Köstner aus Unterrimbach, der bei ihm das Schmiedehandwerk erlernt hatte.

Neben Schmiedearbeiten und Hufbeschlag sollten dort auch die Anfänge des Wagenbaues sein, auf den sich das Familienunternehmen in mittlerweile vierter Generation spezialisierte, schon 1952/53 den Betrieb in die Nürnberger Straße verlegte und 1970 die “Werkstore” in der Schmiedegasse endgültig schloss. Ältere Neustädter erinnern sich noch gut an den eigenwilligen Geruch beim Hufbeschlag im Freien, an den auch beim Heimatfest 1980 im Rahmen einer Präsentation der Neustädter Handwerkstradition erinnert worden war.

In “technischer Neuzeit” unberührt geblieben

Am “Tag des offenen Denkmals” wird die Geschichte der Schmiede in vielen Dokumenten und dem beeindruckenden Zeugnis der originalen Einrichtung mit vielfältigem Werkzeug um die Esse und den Amboss aufleben. „Handwerk, Technik und Industrie“ finden hier als Motto des Denkmaltages sichtbaren Ausdruck, weil die Schmiedewerkstatt die Zeiten des Umbruchs sowie der Wergwerfmentalität “unberührt” überstanden hatte.

Ein Glückfall für Neustadt, auf das am 13. September wohl ein besonderes Interesse der Menschen aus der Region gerichtet sein wird, denen sich neben dem offenen Schmiedetor im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim vielfältige Gelegenheit bietet, “weitgehend unbekannte industriegeschichtliche Kleinode zu entdecken”.

Fotowettbewerb "Fokus Denkmal"

Passend zum “Tag des offenen Denkmals” können sich Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre am Fotowettbewerb „Fokus Denkmal“ unter dem Motto Handwerk, Technik, Industrie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz beteiligen. Einsendeschluss an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist der 25. September 2015. Die Ausschreibung mit weiteren Informationen gibt es unter “www.fokus-denkmal.de“.

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