"Albtraum": Arztbesuch endet mit Zwangseinweisung
10.2.2017, 06:00 UhrDer Entlassungsbericht des Ansbacher Bezirksklinikums ist eindeutig. "Wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert.... kein Anhalt für Denkstörung, keine Wahrnehmungsstörung", steht da als psychopathologischer Befund über die Patientin, "keine Suizidgedanken. Kein Anhalt für akute Eigen- oder Fremdgefährdung." Die Stimmung sei leicht gedrückt, sie wirke innerlich aufgewühlt "und müde, da wenig geschlafen".
Das kann nicht weiter verwundern, wenn man sich anhört, was Djamila Krebs hinter sich hat. Am Vortag war sie, so schildert sie das Geschehen, mit ihren beiden Söhnen unterwegs zum Hausarzt der Familie. Die Kinder hatten Magenprobleme und klagten über Bauchschmerzen. Weil die Praxis wegen Urlaubs geschlossen war, wandte sie sich an das Medic-Center in Markt Erlbach. Das ist ein Verbund von Dutzenden von Fachärzten mit mehreren Standorten in Nürnberg und Umgebung. Wie man mit ihr dort umgegangen sei, hat sie schriftlich festgehalten.
Aus dem Raum geschickt
Demnach habe sie die behandelnde Ärztin sehr schnell unfreundlich aus dem Raum geschickt, weil diese mit den Kindern allein habe sprechen wollen. Sie selbst sei schuld, dass die Kinder krank sind, und sie solle in die Psychiatrie gehen. Das habe man ihr, der Mutter, vorgehalten. Die kranken Kinder seien gar nicht weiter untersucht worden. Die beiden Söhne bestätigen diesen Hergang.
Die Ärztin habe gleich gefragt, ob die Eltern oft streiten. "Sie war böse auf meine Mutter und schrie sie an", schildert einer den Praxisaufenthalt. Wenn sie nicht von sich aus ins Bezirkskrankenhaus gehe, "wird sie abgeholt". So kam es dann auch. Die Familie war keine 20 Minuten wieder zu Hause, als die Polizei vorfuhr. Sie sei "wie eine Verbrecherin" in Handschellen abgeführt worden, erzählt Djamila Krebs.
Man habe sie in einen bereitstehenden Sanka verfrachtet und dort an Händen und Füßen festgeschnallt. "Die Kinder hatten Angst und weinten. Und ich war unter Schock. Ich wusste nicht, worum es geht, es war ein Albtraum." Alarmiert hatte die Einsatzkräfte das Landratsamt in Neustadt/Aisch, Abteilung öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Dort sei ein Attest der Ärztin eingegangen, sagt Behörden-Sprecher Rainer Kahler auf Anfrage. Man habe gar nicht anders handeln können. In dem Papier der Medizinerin, das im Landratsamt einging, sei von einer akuten Psychose bei der Patientin die Rede gewesen und von einer Gefahr für sich selbst und die Kinder. "Auf solche ärztliche Angaben müssen wir uns verlassen", bekräftigt Kahler, "die sofortige vorläufige Unterbringung war unter diesen Umständen nötig."
Es habe keine andere Möglichkeit mehr bestanden, eine eventuelle Gefahr zu beseitigen. Dass laut Befund des Bezirkskrankenhauses eine Fehleinschätzung vorlag, "das ist was anderes". Er spricht von einer Gewissensentscheidung. Man möge sich einmal vorstellen, die Kreisbehörde reagiere in einem solchen Fall nicht umgehend, und es passiere etwas Schlimmes. "Was dann?", fragt Kahler.
Das Medic-Center rechtfertigt das Verhalten seiner Ärztin in einer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung. Djamila Krebs habe, so schreibt Geschäftsführer Michael Langer, unter anderem die Vermutung geäußert, ihr Ehemann wolle sie und ihre Kinder vergiften. Eine körperliche Untersuchung der Söhne und Laborwerte seien aber unauffällig gewesen.
Situation eskalierte
Der jüngere Sohn war, so Langer weiter, "angstbesetzt und sehr in sich gekehrt" und dessen Mutter "verwirrt". Sie habe nicht in zusammenhängenden Sätzen kommuniziert. Am Ende sei die Situation in einem lautstarken Wortwechsel in der Praxis eskaliert. Man habe der Mutter "jederzeit" eine Kurzschlusshandlung zugetraut, die das Leben des jüngeren Sohnes hätte gefährden können. "Deshalb kamen wir zu dem Schluss, eine Zwangseinweisung zu initiieren", so Langers Fazit.
Djamila Krebs, die aus Algerien stammt, ist eine temperamentvolle Frau, die auch schnell mit harten Urteilen zur Stelle sein kann. Sie bestreitet gar nicht, dass es damals Eheprobleme gab. Aber dieses fatale Missverständnis? Die aus ihrer Sicht schreckliche Nacht, die sie in Ansbach verbrachte, erlebte sie schon vor einem guten halben Jahr.
Zur Wehr setzt sie sich erst jetzt. Sie hat Anzeige gegen die Ärztin sowie gegen das Landratsamt wegen Freiheitsberaubung und Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit erstattet. Sie habe es nicht gewagt, diesen Schritt zu einem früheren Zeitpunkt zu tun, aus Angst, noch tiefer in die Mühle der Psychiatrie zu geraten. Wie schnell das gehen könne, habe sie schließlich hautnah erlebt.
Anmerkung der Redaktion: Der Text, der vorher an dieser Stelle stand, war eine gekürzte Online-Fassung. Mittlerweile haben wir ihn durch die ausführliche Version ersetzt, die in den gedruckten NN am 10. Februar erschienen ist.
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