Obdachlosen totgeprügelt: Neustart im Landgericht

20.4.2015, 12:10 Uhr
Ein 36-Jähriger muss sich vor dem Ansbacher Landgericht wegen Totschlags verantworten (Symbolbild).

© Archiv Ein 36-Jähriger muss sich vor dem Ansbacher Landgericht wegen Totschlags verantworten (Symbolbild).

Vor genau einer Woche stand der Prozess vor dem Aus -  nun sitzt auch die 17-jährige Frau vor den drei Berufsrichtern und den beiden Schöffen der Strafkammer des Landgerichts Ansbach.  Am vergangenen Montag, dem ersten Prozesstag, war sie nicht erschienen, sondern hatte sich in einer  Sozialunterkunft in Gunzenhausen versteckt - das Verfahren drohte zu platzen. Weil Claudia T. (Name geändert) Probleme mit ihren Eltern hat, lebt sie in einem  Jugendhilfeheim bei Passau - und da sie bereits am Wochenende ohne Begleitung mit dem Zug die Fahrt nach Ansbach alleine antrat, hatte sie Zeit zum Nachdenken, bekam es mit der Angst zu tun und büxte kurz vor Prozessbeginn aus. Doch bereits am Montagabend wurde sie geschnappt - die Polizei hatte einen Tipp aus der Sozialunterkunft erhalten.

In eben dieser Sozialpension soll am 17. Juni 2014 Aleksandr M. (36) auf einen 54 Jahre alten Obdachlosen eingeprügelt haben - für den Tod des Mannes sei allein der Hauptangeklagte Aleksandr M. verantwortlich, sagt Oberstaatsanwalt Alfred Huber.  Er geht von Totschlag aus, die Strafkammer wies jedoch, als sie die Anklage zuließ, darauf hin, dass am Ende auch eine Veurteilung wegen Mordes denkbar sei. Dem ebenfalls angeklagten Viktor H. (36)  und der 17-jährigen  Claudia T. legt der Ankläger schwere Körperverletzung, Wohnungseinbruchsdiebstahl sowie Nötigung  zur Last. Laut Anklage misshandelten die beiden Mitangeklagten an jenem 17. Juni das Opfer ebenfalls.

Etwa eine Woche vor der Tat habe sie mit den beiden Männern aus dem Zimmer des Opfers Nudeln gestohlen, eine "Schnapsidee" von ihr, schildert Claudia T. vor Gericht. Ob sie betrunken oder nüchtern war, wisse sie nicht mehr. Sie hätten die Nudeln nicht einmal gegessen. Ihre beiden Freunde seien angetrunken gewesen.

"Höchstens mal eine Bierflasche geworfen"

Die junge Frau nuschelt vor sich hin, sie kostet Mühe, sie zu verstehen. Sie schwänzte damals die Schule erzählt sie, und habe sich in der  Obdachlosenunterkunft herumgetrieben. "Da waren alle nett", sagt sie. Ankläger Huber geht davon aus, dass sich die 17-Jährige an der brutalen Schlägerei beteiligte, um ihrem Freund Aleksandr  M. zu imponieren. 

Das Trio soll den 54-Jährigen schon früher geschlagen und getreten haben, "das stimmt nicht", sagt die junge Frau. Höchstens eine Bierflasche habe sie ihm einmal hinterhergeworfen, ihre Freunde Aleksandr M. und Viktor H. hätten ihn "vielleicht einmal angeschrien". Man sei genervt gewesen, von dem Mann, weil er gemeinsames Geld in Spielotheken "verballert" habe. Mehr möchte Claudia T. vor Gericht nicht sagen.

Am Tag der Tat floss der Alkohol bereits am späten Nachmittag in Strömen:  Bier, Wodka, Jack Daniels habe man getrunken, so die 17-Jährige. Viktor H. habe gedöst, wachte er auf, trank. Gegen 21 Uhr sei auch der später Geschädigte in das Zimmer gekommen, rasch wurde gestritten.  Ein Missverständnis folgte dem nächsten, schnell flogen die ersten Fäuste, am Ende lag der 54 Jahre alte Obdachlose, getötet von Schlägen und Tritten, auf dem Boden.

"Es  war meine Idee, ihn auf die Bahngleise zu legen", sagt die 17-Jährige und müht sich, die Nachfragen des Richters, wer wann geschlagen hat, zu beantworten. Sie ist die einzige des Trios, die umfassend geständig ist. Nach der brutalen Schlägerei will sie versucht haben, dem Opfer mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung zu helfen -doch dies sei ihr zu eklig gewesen- schließlich waren ihm einige Zähne ausgeschlagen, sein Mund war blutig. "Ich wollte noch sagen, dass das keiner wollte. Keiner wollte, dass er stirbt", sagt Claudia T. 

Damals schleppte sie gegen 23.30 Uhr gemeinsam mit Aleksandr M. den Leichnam über einen Feldweg zur Bahnstrecke Ansbach-Treuchtlingen. 600 Meter nördlich des Bahnhofs Gunzenhausen legten sie den Körper im Gleisbett ab. Viktor H. war angeblich im Zimmer geblieben.  "Ich habe später das Blut weggeputzt, die Lappen habe ich weggeworfen", sagt sie.

Eigentlich hätten sie an jenem Tag "einen Film gucken" wollen,  so die 17-Jährige, "Trojo oder so ähnlich" kramt sie in ihrer Erinnerung. "Die Eroberung von Troja?" hakt der Vorsitzende Richer nach. "Kann sein", sagt die Angeklagte. Sie spricht seltsam unbeteiligt, Reue ist ihr kaum anzumerken - eher der Wunsch, den Hauptangeklagten Aleksandr M. zu schützen.  Sie glaube nicht, dass Aleksandr M. den Geschädigten töten wollte - außerdem habe er kurz nach der Tat geweint. Fragen zur Beziehung zu ihm will sie nicht beantworten. "Das war nicht gut, was wir getan haben. Man kann es nicht rückgängig machen." Aber jetzt müsse man "das Beste draus machen".

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