Politische Dauerquerelen: Ansbach sucht das "Wir-Gefühl"

19.1.2015, 06:00 Uhr
Die ständigen Streitigkeiten im Rathaus treiben in Ansbach zuweilen seltsame Blüten.

© Archivfoto: Karin Hölzle-Eckhardt Die ständigen Streitigkeiten im Rathaus treiben in Ansbach zuweilen seltsame Blüten.

Eine klare Mehrheit konnte bei der Kommunalwahl nur eine Frau erreichen. In der Stichwahl setzte sich die amtierende, parteilose Oberbürgermeisterin mit 60 Prozent klar für eine weitere Amtszeit durch. Sieben Gruppierungen sind im Stadtrat vertreten. Eine Mehrheit oder Koalitionsmehrheit gibt es von Fall zu Fall. Beobachter meinen, die Beteiligten hätten den Wahlkampfmodus noch nicht abgeschaltet. Und so kam es zum Beispiel, dass die SPD geschlossen die Haushaltsberatungen verließ und schmollte. Kampf gegen Politikverdrossenheit sieht wohl anders aus. Dabei fing beim Haushalt alles harmonisch an. Nur wenige Änderungsanträge gingen vor den Beratungen ein, eigentlich ein Indiz für kurze Etat-Verhandlungen.

Amt abgeschafft

Carda Seidels Rolle erinnert an die schwierige Funktion der früheren Oberstadtdirektoren, die es in der Norddeutschen Ratsverfassung bis in die 1990er Jahre, etwa in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen, gab. Der Chef der Verwaltung steht dem ehrenamtlichen Oberbürgermeister und den Stadtverordneten (Stadträten) gegenüber, ein Dauerkonflikt zwischen Verwaltung und Politik. Das Amt wurde abgeschafft. Jetzt stehen, wie in Süddeutschland, Politiker als Verwaltungschefs an der Spitze von Köln oder Hannover.

Allerdings ist klar, so haben sich jetzt manche Ansbacher Politiker besonnen, dass politische Gestaltung nicht möglich ist, wenn die gewählten Volksvertreter keine Linie finden. Carda Seidel hat zwar ein politisches Mandat, aber politische Mehrheiten muss sich die parteilose Stadtchefin für die Abstimmungsvorschläge ihrer Verwaltung im Stadtrat mühsam suchen.

Karriere gemacht

Sie beklagt sich nicht, fast sieben Jahre lang hat die Verwaltungsexpertin, die vor ihrer Wahl in Ansbach im Nürnberger Rathaus Karriere gemacht hatte, bereits Erfahrung mit dieser speziellen Situation in Ansbach. Mal sehen, ob die Stadträte den Wahlkampfmodus nach der Weihnachtspause abschalten.

Die Ansbacher Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos).

Die Ansbacher Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos). © dpa

Denn Ansbach geht es gut. Dem Gejammer über Ausfälle bei der Gewerbesteuer und wachsende Sozialausgaben stehen freiwillige Leistungen gegenüber, die offenbar noch finanzierbar sind. Ansbacher Sportvereine zahlen keine Miete für Sporthallen. Fast eine Million Euro Zuschuss kassiert das Theater.

Und Ansbach investiert kräftig. Nach der Sanierung der Promenade samt ihrem Untergrund steht jetzt die Maximilianstraße auf dem Programm. Schulen und Kindergärten müssen gebaut oder saniert werden. 16 Millionen Euro werden 2015 investiert.

In ihrer ersten Amtszeit hatte Carda Seidel die Wirtschaftsförderung wieder ins Rathaus zurückgeholt und zur Chefsache erklärt. Seither gibt es eine rege Nachfrage nach Gewerbeflächen, was wiederum Steuereinnahmen für die Kommune bedeutet. Seit ein paar Tagen ist bekannt, dass Ansbach 14 Hektar Gelände dazugewinnt, wenn die US-Army 2021 die Barton Baracks aufgibt. Wohnen, Gewerbe oder eine Behördenansiedlung von des Heimatministers Gnaden? Derweil findet Stadtpolitik längst nicht nur im Ansbacher Rathaus statt. „Wir sind die Innenstadt“, so heißt ein Forum von Kaufleuten, Anwohnern, Kulturschaffenden und Politikern, das die Folgen des wachsenden Internethandels kompensieren möchte, sich also gegen eine mögliche Verödung der Altstadt stemmt.

Das Wir-Gefühl soll wachsen, die Altstadt verstärkt als Erlebniszone wahrgenommen werden. Ansbach möchte seine bewährte Rolle als Oberzentrum auch als Einkaufsstadt weiter ausfüllen.

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